Ein Kapitän von 15 Jahren
bot das Land einen völlig veränderten Anblick. Etwa zwanzig Ameisenbauten tauchten daraus mit ihrer Spitze empor und bildeten die einzigen hervorragenden Punkte dieser breiten Mulde.
Die Coanza war es, welche über Nacht in Folge der Zuströmung ihrer, durch den Gewitterregen geschwellten Nebenflüsse übergetreten war.
Diese Coanza, einer der Ströme von Angola, mündet in den Atlantischen Ocean etwa hundert Meilen von dem Punkte, wo der »Pilgrim« gescheitert war. Es ist das derselbe Fluß, den Lieutenant Cameron einige Jahre später überschreiten mußte, bevor er Benguela erreichte.
Die Coanza ist bestimmt, einst die Ader des Binnenverkehrs dieses Theiles der portugiesischen Kolonie zu bilden. Schon befahren Dampfer ihren Unterlauf, und es werden keine zehn Jahre vergehen, bis sie auch den oberen Lauf dem Verkehre dienstbar machen. Dick Sand hatte also ganz recht daran gethan, nach Norden zu einen schiffbaren Fluß zu suchen. Der kleine Bach, dem er nachgegangen war, floß auch selbst in die Coanza. Ohne jenen plötzlichen Ueberfall, vor dem ihn ja nichts zu warnen im Stande gewesen war, hätte er jenen eine Meile von hier gefunden; seine Gefährten und er hätten sich auf einem leicht herzustellenden Flosse eingeschifft und die beste Aussicht gehabt, auf der Coanza hinab bis zu den portugiesischen Flecken zu schwimmen, wo die Steamer Halt machen. Dort aber war ihre Rettung gesichert.
Es sollte anders kommen.
Das von Dick Sand bemerkte Lager war auf einer dem Termitenhügel benachbarten Höhe errichtet, in welchen sein Unstern ihn wie in eine Falle verlockt hatte. Auf dem Gipfel jener Anhöhe strebte eine gewaltige Sykomore empor, welche unter ihrem Blätterdache wohl fünfhundert Menschen Schutz gewährt hätte. Wer diese Baumriesen Central-Afrikas nicht selbst gesehen hat, vermag sich kaum eine richtige Vorstellung von denselben zu machen. Ihre Aeste bilden einen ganzen Wald, in dem man sich verirren könnte. Weiterhin vervollständigten sehr große Bananen, von der Gattung, deren Samenkörner sich nicht zu Früchten ausbilden, den grünen Rahmen der ausgedehnten Umgebung.
Unter dem Schutze jener Sykomore hatte, wie verborgen in geheimnißvollem Obdach, eine ganze Karawane – deren Eintreffen Harris schon Negoro meldete – – Halt gemacht.
Der große Zug von Eingebornen, welche die Agenten des Sklavenhändlers Alvez aus ihrer Heimat entführt hatten, bewegte sich nach dem Markte in Kazonnde hin. Von dort aus sollten die Sklaven, je nach Bedarf, entweder in die Baracken an der Westküste übergeführt oder nach N’yangwe, in die Gegend der großen Seen, gebracht werden, um sie endlich entweder nach Ober-Egypten oder nach den Factoreien von Zanzibar zu vertheilen.
Gleich nach ihrer Ankunft im Lager erfuhren Dick Sand und seine Gefährten ganz die Behandlung wie Sklaven. Der alte Tom aber, ebenso wie sein Sohn, Austin, Acteon und die arme Nan, obgleich Neger von Ursprung, doch keine Zugehörigen der afrikanischen Race, mußten gar die gewöhnliche Behandlung kriegsgefangener Eingeborner erdulden. Nachdem man sie trotz lebhaften Widerstandes entwaffnet, wurden sie je Zwei und Zwei am Halse mittelst einer 2 bis 21/2 Meter langen, an beiden Enden gabelförmigen und daselbst mit einem Quereisen geschlossenen Stange gefesselt. So waren sie genöthigt, in gerader Linie, Einer hinter dem Anderen, zu marschiren, ohne weder nach rechts, noch nach links abweichen zu können. Aus übertriebener Vorsicht verband sie auch noch eine schwere Kette am Gürtel. Die Arme behielten sie dabei frei, um noch Lasten zu tragen, die Füße, um zu marschiren, ohne daß ihnen eine Flucht möglich gewesen wäre. Auf diese Weise sollten sie nun, unter den Peitschenhieben eines rohen Havlidars, Hunderte von Meilen zurücklegen! Erschlafft von der Anspannung, welche den ersten Minuten ihres Kampfes gegen die Neger folgte, versuchten sie gar keine Bewegung. O, warum hatten sie Herkules auf seiner Flucht nicht folgen können! Und doch, was war für den Flüchtling wohl zu hoffen?
Was konnte trotz seiner außerordentlich kräftigen Constitution aus ihm werden in diesem ungastlichen Lande, wo der Hunger, die Verlassenheit, die wilden Thiere und die Eingebornen ihm gleichmäßig feindlich waren? Würde er sich nicht bald ebenfalls das Loos seiner Gefährten wünschen? Und doch hatten diese kein Erbarmen zu erwarten von den arabischen oder portugiesischen Führern der Karawane, deren Sprache sie nicht verstanden und welche ihre
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