Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Kapitän von 15 Jahren

Ein Kapitän von 15 Jahren

Titel: Ein Kapitän von 15 Jahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
wo er den Tag anbrechen sah, der für ihn der letzte sein sollte.
    Während des ganzen Tages ward die Ausschachtung des Grabes emsig fortgesetzt. Unter Leitung des ersten Ministers der Königin Moina nahmen sehr viele Eingeborne daran Theil. Bei Strafe der Verstümmelung sollte Alles zur festgesetzten Stunde fertig sein, denn die neue Herrscherin befleißigte sich, nach allen Richtungen hin die Gewohnheiten des entseelten Königs beizubehalten.
    In dem nach Abdämmung des Wassers trocken gelegten Flußbette wurde das Grab in einer Tiefe von etwas über drei Meter, bei gleicher Breite und etwa sechzehn Meter Länge ausgehoben.
    Gegen Abend tapezierte man sozusagen den Boden und die Seitenwände der Grube mit lebenden, unter Moini Loungga’s Sklavinnen auserwählten Frauen. Gewöhnlich werden diese unglücklichen Geschöpfe bei ähnlichen Gelegenheiten einfach lebendig begraben. Unter Berücksichtigung des eigenartigen und wunderbaren Todes Moini Loungga’s war aber dahin entschieden worden, sie in nächster Nähe der Leiche ihres Herrn zu ertränken. 1
    Die Sitte erheischt es, den verstorbenen König, bevor er in’s Grab gelegt wird, mit seinen prächtigsten Kleidern zu schmücken. Diesmal mußte freilich, da Sr. Majestät Ueberreste nur aus einigen calcinirten Knochenstücken bestanden, in anderer Weise verfahren werden. Man fertigte eine Art Gliedermann aus Weidenzweigen an, der Moini Loungga hinlänglich, höchstens etwas zu vortheilhaft vertrat, und füllte in denselben die nach der Selbstverbrennung gesammelten Ueberbleibsel. Diese Puppe ward mit der königlichen Kleidung angethan – welche Hinterlassenschaft, wie wir wissen, keine besonderen Werthgegenstände enthielt – und man vergaß dabei auch nicht, ihr Vetter Benedict’s verhängnißvolle Brille als Zierrath aufzusetzen. Die ganze Maskerade hatte wirklich den Anstrich einer entsetzlichen Komik.
    Die letzte Ceremonie sollte bei Fackelschein und mit möglichstem Glanze vor sich gehen. Die ganze Bevölkerung von Kazonnde, Einheimische wie Fremde, sollte ihr beiwohnen.
    Als der Abend herankam, bewegte sich ein langer Zug von der Tchitoka aus bis nach dem Begräbnißplatze. Geschrei, wilde Tänze, Beschwörungen der Magiker, der Lärm verschiedener Instrumente, das Knallen alter Musketen aus dem Arsenal – nichts fehlte dabei.
    Jose-Antonio Alvez, Coïmbra, Negoro, die arabischen Händler und ihre Havlidars vergrößerten die Reihen des Volkes von Kazonnde. Noch Niemand war bis jetzt nach Schluß des großen Lakoni abgereist. Die Königin Moina hätte es nicht zugegeben, und es wäre unklug gewesen, den Befehlen Derjenigen entgegen zu handeln, welche ihre Kräfte jetzt im Regierungsgeschäfte erprobte.
    Der in einem Palankin ruhende Körper des Königs wurde in den letzten Gliedern des Leichenzuges getragen. Ihn umgaben seine Frauen zweiten Ranges, deren einige ihm aus diesem Leben das Geleite geben sollten. Königin Moina ging in großem Ornate hinter dem Aufbau her, den man hier als Katafalk bezeichnen könnte. Es war vollständig Nacht, als Alles am Flußufer anlangte, die von ihren Trägern fleißig geschwungenen Harzfackeln warfen aber einen hellen Schein über die Versammlung.
    Die Grube war deutlich zu übersehen. Sie zeigte sich mit schwarzen, lebenden Körpern ausgekleidet, welche sich unter den Ketten wanden, die sie am Boden festhielten. Fünfzig Sklavinnen erwarteten hier, daß der Strom sich über sie ergieße; meist waren es junge Eingeborne, die Einen ergeben und lautlos, die Anderen leise seufzend und jämmernd.
    Die gleichwie zu einem Feste geschmückten Gattinnen, welche hier gleichzeitig den Tod erleiden sollten, hatte die Königin selbst ausgewählt.
    Die Eine unter diesen Schlachtopfern, welche sonst den Titel der zweiten Gemalin führte, wurde mit gekrümmten Armen und gebogenen Knieen gebunden, um als Sessel des Königs zu dienen, wie sie es bei seinen Lebzeiten zu thun pflegte, die dritte Gemalin hatte die Gliederpuppe aufrecht zu halten, während die vierte als Kissen zu deren Füßen lag.
    Am Ende des Grabes und vor der Gliedergruppe erhob sich ein rothangestrichener Pfahl aus der Erde. An demselben festgebunden, stand ein Weißer, den man den Schlachtopfern dieser grauenvollen Leichenfeierlichkeit zugesellt hatte.
     

    Die Grube war deutlich zu übersehen (S. 367.)
     
    Jener Weiße war kein Anderer als Dick Sand. Sein halb entblößter Körper zeigte die Merkmale der Torturen, welche ihm auf Negoro’s Anordnung schon vorher

Weitere Kostenlose Bücher