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Ein Kapitän von 15 Jahren

Ein Kapitän von 15 Jahren

Titel: Ein Kapitän von 15 Jahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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sehen, denn sie waren mit dem königlichen Gliedermann begraben worden.
    Wenn er nun ein Insect fand, war er gezwungen, es sich fast in die Augen selbst zu halten, um dessen elementarste Einzelheiten zu erkennen O, das war ein schwerer Kummer für Vetter Benedict, und er hätte eine Lorgnette oder Brille gewiß gern theuer bezahlt. Diese Artikel pflegt man aber bei dem Lakoni von Kazonnde nicht feilzubieten. Jedenfalls durfte Vetter Benedict in Alvez’ Etablissement ungehindert hin und hergehen. Man wußte ja, daß er unfähig war, einen Fluchtversuch zu machen. Uebrigens trennte eine hohe Palissade die Factorei von den übrigen Stadtvierteln, und diese war schon nicht so leicht zu übersteigen.
    Blieb er nun auch stets streng eingeschlossen, so maß dieses Gefängniß dafür doch eine ganze Meile im Umfange. Verschiedene Bäume, Buschwerk aus Afrikas eigenthümlichen Arten, große Gräser, der Wasserlauf eines Baches, die Strohdächer der Baracken und Hütten – das war mehr als hinreichend, hier die seltensten Insecten zusammenzulocken und Vetter Benedict, wenn auch nicht reich, so doch glücklich zu machen. Er entdeckte auch wirklich einige Hexapoden, wenn es ihm auch fast das Augenlicht kostete, sie ohne Loupe zu untersuchen; doch nahm seine kostbare Sammlung ja dabei an Umfang zu und er legte damit den Grund zu einem umfassenden Werke über afrikanische Entomologie. Wie wünschte er, daß sein glücklicher Stern ihm ein neues Insect entdecken ließe, um an dasselbe seinen Namen zu knüpfen, dann wäre ja sein Herzenswunsch erfüllt gewesen!
    Erwies sich Alvez’ Etablissement schon hinreichend groß für Vetter Benedict’s wissenschaftliche Ausflüge, so schien es dem kleinen Jack geradezu unermeßlich. Nur wenig suchte dieses Kind indeß die gewöhnlichen Vergnügungen seines Alters. Selten wich es von seiner Mutter, welche es überhaupt nicht gern allein ließ und immer irgend ein Unglück fürchtete. Der kleine Jack sprach häufig von seinem Vater, den er so lange nicht gesehen hatte, und verlangte zu ihm zurückzukehren. Er erkundigte sich nach Allen, nach der alten Nan, nach seinem Freunde Herkules, nach Bat, Austin, Acteon und nach Dingo, der ihn ja ebenfalls verlassen zu haben schien. Er wollte seinen Kameraden Dick Sand wiedersehen. Seine Einbildungskraft lebte nur in der schönen Vergangenheit Mrs. Weldon konnte auf seine Fragen nicht anders antworten, als dadurch, daß sie ihn an die Brust drückte und seine Stirn mit Küssen bedeckte. Nicht in seiner Gegenwart zu weinen, das war das einzige, was sie thun konnte!
    Inzwischen nöthigte sich Mrs. Weldon die Beobachtung auf, daß die verhältnißmäßig rücksichtsvolle Behandlung, die ihr auf der Reise von der Coanza bis hierher zu Theil geworden war, auch in Alvez’ Etablissement keine Aenderung erleiden solle. In der Factorei befanden sich nur die speciellen, für die Bedienung des Händlers bestimmten Sklavinnen. Alle Uebrigen waren in den Baracken der Tchitoka untergebracht und an die Mäkler aus dem Innern verkauft worden. Jetzt strotzten die Magazine von Stoffen und Elfenbein, die Stoffe mit der Bestimmung, in den Provinzen Central-Afrikas ausgetauscht, das Elfenbein, um nach den Handelsplätzen des Continents exportirt zu werden.
    In der Factorei wohnten also nur wenig Menschen. Mrs. Weldon nahm mit dem kleinen Jack eine besondere Hütte ein; Vetter Benedict eine andere. Mit den Dienern des Händlers kamen sie nicht viel zusammen und speisten gemeinschaftlich. Die aus Ziegen-oder Hammelfleisch, Gemüsen, Manioc, Sorgho und anderen Landesfrüchten bestehende Nahrung war für sie völlig hinreichend. Halima, eine junge Sklavin, welche Mrs. Weldon besonders beigegeben war, erwies ihr sogar, so gut sie das vermochte, eine zwar rohe, aber jedenfalls aufrichtige Theilnahme.
    Jose-Antonio Alvez, der das Hauptgebäude bewohnte, bekam Mrs. Weldon kaum zu Gesicht, und sie sah auch den außerhalb wohnenden Negoro nicht, dessen Fernbleiben ihr gänzlich unerklärbar blieb. Diese Zurückhaltung erregte ihre Verwunderung und beunruhigte sie nur desto mehr.
    »Was will er? Was zögert er? fragte sie sich. Warum hat er uns nach Kazonnde geschleppt?«
    So verliefen die acht Tage vor Eintreffen der Karawane Ibn Hamis, die zwei Tage vor der Leichenfeier des Königs und auch noch sechs Tage nach dieser.
    Trotz ihrer eigenen Angst konnte Mrs. Weldon doch niemals vergessen, daß ihr Gatte sicher in der größten Seelenangst schwebe, weder Weib noch Kind nach San

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