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Ein Kapitän von 15 Jahren

Ein Kapitän von 15 Jahren

Titel: Ein Kapitän von 15 Jahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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grausamen Loose der anderen Frauen des Verschiedenen und entledigte sich dabei der jüngeren derselben, über die sie, als Erste der Zeit nach, sich natürlich nicht selten zu beklagen hatte. Das war Alles so recht nach dem Sinne der wilden Megäre. Sie ließ also unter Begleitung von Cudu-und Marimebas-Hörnern ankündigen, daß die Leichenfeierlichkeiten für den verstorbenen König am folgenden Abend und mit allem, sonst dabei gebräuchlichen Ceremoniell stattfinden würden.
    Weder seitens des Hofes noch seitens des Volkes wurde ein Einwand dagegen erhoben. Alvez und die übrigen Sklavenhändler hatten ja von der Thronbesteigung dieser Königin Moina nichts zu fürchten. Durch einige Geschenke und gelegentliche Schmeicheleien konnten sie sich sicherlich leicht ihren Einfluß auf dieselbe erhalten. Die Uebernahme der königlichen Erbschaft vollzog sich demnach ohne Schwierigkeiten. Nur im Harem herrschte, und zwar nicht ohne Grund, darüber ein gewisser Schrecken.
    Noch an demselben Tage begannen die Vorarbeiten zu der Leichenfeier. Nahe dem Ausgange der Hauptstraße von Kazonnde floß ein tiefer, brausender Fluß, ein Nebenarm des Congo, dessen Lauf abgeleitet werden sollte, um sein Bett trocken zu legen; in diesem Bette sollte die Ruhestätte des Königs ausgegraben werden; nach dem Begräbniß erhielt das Wasser dann seinen gewöhnlichen Lauf wieder.
    Die Eingebornen arbeiteten emsig an der Aufschüttung eines Dammes, der den Fluß nöthigte, sich ein provisorisches Bett durch die Ebene von Kazonnde zu suchen. Bei dem letzten Acte der bevorstehenden Ceremonie sollte dann der Damm wieder geöffnet und der Wasserlauf in sein natürliches Bett zurückgeleitet werden.
    Zu den unglücklichen Opfern, welche auf dem Königsgrabe hingeschlachtet werden sollten, bestimmte Negoro auch Dick Sand. Jener war Zeuge gewesen des unwiderstehlich durchbrechenden Zornes des jungen Leichtmatrosen, als Harris ihm fälschlich Mrs. Weldon’s und Jack’s Tod meldete. Negoro, ein von Natur feiger Schurke, vermied es ängstlich, sich dem gleichen Schicksale wie sein Spießgeselle auszusetzen. Gegenüber einem an Händen und Füßen gefesselten Gefangenen glaubte er jetzt aber nichts mehr befürchten zu müssen und beschloß, jenen aufzusuchen. Negoro gehörte zu den Scheusalen, denen es nicht genügt, ihre Opfer zu quälen, sondern die sich auch noch an deren Qualen weiden wollen.
    Er begab sich also gegen Mittag nach der Baracke, in der Dick Sand von einem Havildar scharf bewacht wurde; dort lag der eng geknebelte junge Leichtmatrose, seit vierundzwanzig Stunden fast ohne jede Nahrung, entkräftet von den ausgestandenen Strapazen, gepeinigt durch die Bande, welche ihm tief in’s Fleisch einschnitten, kaum im Stande, sich nur zu wenden, und in Erwartung des Todes, der, so grausam er auch sein mochte, doch seine Qualen endigen mußte.
     

    Die Stadt Kazonnde bot einen völlig ungewohnten Anblick. (S. 357.)
     
    Beim Erblicken Negoro’s lief ein Zittern durch seinen ganzen Körper. Er machte eine unwillkürliche Anstrengung, seine Fesseln zu sprengen, um sich auf den elenden Wicht zu stürzen und mit ihm Abrechnung zu halten. Selbst Herkules jedoch hätte dieser Versuch mißlingen müssen.
     

    »Du Elender!« rief der Portugiese. (S. 363.)
     
    Er begriff, daß es sich hier nur noch um einen anderen Kampf zwischen ihnen Beiden handeln könne, und so zwang sich Dick Sand, ruhig zu sein und Negoro furchtlos anzusehen, entschlossen, ihn auf keinen Fall einer Antwort zu würdigen.
    »Ich hielt es für meine Pflicht, begann Negoro, meinen jungen Kapitän zum letzten Male zu begrüßen und ihm mein Bedauern auszusprechen, daß er hier nicht ebenso das Commando führt wie an Bord des »Pilgrim«.
    Da Dick Sand auf diese Worte schwieg, fuhr er fort:
    »Zum Kuckuck, Kapitän, erkennen Sie denn ihren früheren Schiffskoch nicht wieder? Er kommt ja nur, Ihre Befehle entgegenzunehmen und zu fragen, was Sie zum Frühstück aufgetragen wünschen.«
    Gleichzeitig versetzte Negoro dem auf der Erde liegenden jungen Leichtmatrosen einen rohen Fußtritt.
    »Außerdem, fügte er hinzu, hätte ich noch eine Frage an Sie zu richten, mein junger Kapitän. Können Sie mir wohl erklären, wie Sie eigentlich nach Angola, wo wir uns heute befinden, gekommen sind, während Sie doch nach der Küste Amerikas steuerten?«
    Für Dick Sand bedurfte es kaum der höhnischen Worte des Portugiesen, um einzusehen, daß seine Voraussetzung völlig zutreffend war, als er

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