Ein Kapitän von 15 Jahren
wenigstens das Marssegel zu erhalten, und er gedachte auch dasselbe nicht einzuziehen, so lange der Sturm es ihm nicht gerade zu entführen drohte. Zur Sicherung und Haltbarkeit der Masten ließ er die Wanten, Pardunen und Stagen noch einmal anziehen. Vor Allem kam es darauf an, ihre Lage nicht durch den etwaigen Verlust der Masten noch weiter und empfindlicher zu verschlimmern.
Als das Barometer ein-oder zweimal wieder stieg, mußte man ein Umschlagen des Windes, vielleicht gar nach Osten, befürchten. Dann wäre man aber wieder gezwungen gewesen, dicht an demselben zu segeln.
Eine neue Besorgniß für Dick Sand. Was sollte er bei widrigem Winde beginnen? Mußte er sich entschließen, zu laviren? Wenn dem nicht zu entgehen war, gab es aber auf’s Neue unliebsame Verzögerungen, und dazu lag die Gefahr nahe, wieder in’s Meer hinausgetrieben zu werden.
Glücklicher Weise gingen diese Befürchtungen nicht in Erfüllung. Der Wind wechselte zwar mehrere Tage lang, blies bald aus Norden, bald aus Süden, gestaltete sich aber zuletzt zu einem dauernden Westwinde. Doch behielt er dabei den Charakter einer frischen Kühlte, welche der Takelage arg mitspielte.
Es war am 5. April. Mehr als zwei Monate waren schon seit der Abfahrt des »Pilgrim« aus Neu-Seeland verflossen. Zwanzig Tage hindurch hielten ihn andauernde Windstillen zurück. Dann hatte er sich unter günstigen Bedingungen befunden, das Land schnell zu erreichen. Während des Sturmes mußte seine Schnelligkeit sogar eine sehr beträchtliche gewesen sein; Dick Sand schätzte sie zu nicht weniger als zweihundert Meilen den Tag. Warum bekam er die Küste noch immer nicht in Sicht? Wich sie etwa selbst vor dem »Pilgrim« zurück? Es erschien ihm ganz unbegreiflich.
Und doch war noch kein Land gemeldet worden, obwohl einer der Neger sich jetzt beständig auf einer Mars aufhielt.
Häufig stieg auch Dick Sand selbst hinaus. Mit dem Fernrohr vor den Augen, suchte er von diesem erhöhten Standpunkte aus Spuren eines Landes zu entdecken. Die Kette der Anden steigt ja sehr hoch empor. In der Region der Wolken mußte man also nach einer Bergspitze auslugen, welche sich über die Dünste des Horizonts erhob.
Tom und seine Gefährten ließen sich mehrmals schon durch trügerische Anzeichen eines Landes irre führen. Immer waren es nur sonderbare Wolkenformationen, welche in der Ferne schwebten. Es kam sogar vor, daß die braven Leute ihre Beobachtungen gegenseitig bestätigten, und dennoch waren sie bald darauf gezwungen, einzugestehen, daß sie einer optischen Täuschung unterlegen waren. Was sie als Land erkannten, wechselte seine Stelle und Gestalt und löste sich zuletzt in ein Nichts auf.
Am 6. April endlich schwand jeder Zweifel.
Es war um 8 Uhr Morgens. Dick Sand stieg eben auf den Mast. Die Wolken condensirten sich unter den ersten Strahlen der Sonne und der Horizont zeigte sich seinem Blicke in voller Klarheit.
Da entrang sich endlich Dick Sand’s Lippen der längst erwartete Ausruf:
»Land! Land in Sicht gerade vor uns!«
Diese Worte lockten alle Welt nach dem Verdeck, den kleinen Jack, den die seinem Alter eigenthümliche Neugierde trieb, Mrs. Weldon, deren Leiden und Prüfungen mit dem Betreten des Landes ein Ende finden sollten, Tom und seine Genossen, welche den Fuß endlich wieder auf amerikanischen Boden zu setzen hofften, selbst den Vetter Benedict, welcher die Hoffnung hegte, eine ihm noch neue Sammlung von Insecten zusammenzubringen.
Negoro allein erschien nicht.
Jeder erkannte, was Dick Sand gesehen hatte, die Einen ganz bestimmt, die Anderen nur, weil sie es glaubten.
Seitens des Leichtmatrosen, mit seiner langen Gewohnheit, den Horizont zu beobachten, war jedoch kein Irrthum möglich, und eine Stunde später mußte Jeder zugestehen, daß er sich nicht getäuscht hatte.
In der Entfernung von etwa vier Meilen im Osten erstreckte sich eine niedrige Küste hin. Weiter rückwärts mußte diese von der mächtigen Kette der Anden beherrscht sein, eine dort schwebende Wolkenschicht verbarg den Blicken noch deren Gipfel.
Der »Pilgrim« lief direct und sehr schnell auf dieses Gestade zu, welches sich über Sehweite hinaus ausbreitete.
Zwei Stunden später war es nur noch drei Meilen entfernt.
Im Nordosten lief jene Küste in ein ziemlich hohes Vorgebirge aus, das eine offene Rhede beschützte. Nach Südosten dagegen verlängerte sie sich gleich einer schmalen Landzunge.
Das niedrige Ufer bedeckten einige Bäume, deren Silhouetten sich vom
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