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Ein Kapitän von 15 Jahren

Ein Kapitän von 15 Jahren

Titel: Ein Kapitän von 15 Jahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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schnell, noch in weitem Umfange, sondern betrug nur wenige Linien, schien aber ununterbrochen weiter zu gehen. Unzweifelhaft neigte jetzt der Sturm seiner Abnahme zu, und blieb der Seegang auch noch immer ein sehr schwerer, so ließ der Wind, der mehr nach Westen umschlug, doch offenbar schon etwas nach.
    Noch konnte Dick Sand freilich nicht daran denken, ein Segel zu entfalten. Auch das kleinste Stück Leinwand wäre zerrissen und weggeführt worden. Jedenfalls hoffte er aber, vor Ablauf von vierundzwanzig Stunden im Stande zu sein, wenigstens ein Sturmsegel beisetzen zu können.
    Während der Nacht ermäßigte sich der Wind im Vergleich zu den vorhergegangenen Tagen wirklich beträchtlich, und das Schiff ward auch nicht mehr so heftig von den Wasserbergen hin-und hergeworfen, die es früher aus den Fugen zu reißen drohten.
    Die Passagiere fanden sich allmälig wieder auf dem Verdecke ein; sie liefen jetzt nicht mehr Gefahr, von einer Sturzsee über Bord gespült zu werden.
    Mrs. Weldon war die Erste, welche ihre enge Wohnung verließ, in die sie Dick Sand während des lang dauernden Sturmes aus Vorsicht verbannt hatte. Sie begann ein Gespräch mit dem Leichtmatrosen, den eine fast übermenschliche Willenskraft in den Stand gesetzt hatte, so unglaublichen Anstrengungen nicht zu unterliegen. Abgemagert und blaß trotz seines sonnengebräunten Teints, hätte er bei dem Mangel des seinem Alter so nöthigen Schlafes doch furchtbar geschwächt sein müssen. Mit nichten! Seine gute Natur überwand Alles. Vielleicht bezahlte er später die überstandenen Strapazen um so theurer. Jetzt war noch keine Zeit, die Hände in den Schoß zu legen. Dick Sand hatte sich das Alles selbst gesagt und Mrs. Weldon fand ihn ebenso thatkräftig, wie je vorher wieder.
    Dick Sand hatte ja Vertrauen und das Vertrauen wird durch keinen Befehl erschüttert, es befiehlt vielmehr selbst.
    »Dick, mein liebes Kind, mein Kapitän! sagte Mrs. Weldon, indem sie dem jungen Leichtmatrosen die Hand bot.
    – Ah, Mistreß Weldon, rief Dick Sand, Sie verletzen ja die Anordnungen Ihres Kapitäns! Sie erscheinen wieder auf dem Deck, trotz seiner… Bitten!
    – Freilich, ich gehorche Dir nicht, erwiderte Mrs. Weldon, doch ich habe ein gewisses Vorgefühl, daß der Sturm sich legt, oder sich bald legen wird.
    – Er legt sich in der That, Mistreß Weldon, bestätigte der Leichtmatrose. Sie täuschten sich nicht. Das Barometer ist seit gestern nicht gefallen. Der Wind fällt ab und ich komme zu dem Glauben, daß unsere harten Prüfungen nun vorüber sind.
    – Möge der Himmel Deine Worte hören, Dick! Ach, wie viel hast Du ausgestanden, mein armes Kind! Du verrichtetest….
    – Nichts als meine Pflicht, Mistreß Weldon.
    – Doch wirst Du Dir nun endlich einige Ruhe gönnen?
    – Ruhe! wiederholte der Leichtmatrose. Ich bedarf der Ruhe nicht; ich befinde mich, Gott sei Dank, vollkommen wohl und muß nun auch bis an’s Ende ausdauern. Sie haben mich Kapitän genannt und ich will auch wirklich Kapitän bleiben, bis alle Passagiere des »Pilgrim« in Sicherheit sind.
    – Dick, fuhr Mrs. Weldon fort, mein Mann und ich werden Dir nimmermehr vergessen, was Du für uns thatest.
    – Gott hat Alles gethan, antwortete Dick Sand, Alles!
    – Ich wiederhole Dir, mein Kind, daß Du Dich mit Deiner moralischen und physischen Energie als ein ganzer Mann erwiesen hast, als ein Mann, der würdig ist, zu befehligen, und sobald Deine Studien vollendet sind, was ja nicht lange dauern kann, wirst Du – mein Mann wird mein Wort einlösen – für das Haus James W. Weldon ein Kommando führen.
    – Ich… ich!… rief Dick Sand, dessen Augen sich mit Thränen füllten.
    – Lieber Dick, antwortete Mrs. Weldon, Du warst von jeher unser Adoptivkind; jetzt bist Du unser Sohn, der Retter Deiner Mutter und Deines Bruders Jack! Mein lieber Dick, komm, ich umarme Dich auch im Namen meines Gatten!«
    Die muthige Frau hatte ihre Rührung beherrschen wollen, als sie den jungen Leichtmatrosen in die Arme schloß, aber das Herz ging ihr über. Welche Feder aber wäre erst im Stande, Dick Sand’s Gefühle dabei wiederzugeben! Er fragte sich, ob er nicht noch mehr thun könne, als das Leben zu lassen für seine Wohlthäter, und er unterzog sich schon im Voraus willig allen den Prüfungen und Beschwerden, die ihm die Zukunft etwa bieten könnte.
    Dick Sand fühlte sich nach diesem Gespräche neu gestärkt. Wurde nun der Wind etwas günstiger und konnte er auch nur wenig Segel entfalten,

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