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Ein Kerl macht noch keinen Sommer

Ein Kerl macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Kerl macht noch keinen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milly Johnson
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psychisch krank und nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte eingestuft zu werden.
    »Aber du wirst doch nicht … ich meine, wirst du zu ihm zurückkehren?«, sagte Raychel leise.
    »Nein«, sagte Grace, ohne zu zögern. Dieses besessene, gefährlich egoistische Verhalten würde sie ihm niemals verzeihen. Schon diese wenigen Tage ohne ihn hatten ihr die Augen geöffnet. Jetzt konnte sie deutlich sehen, dass all das, womit sie all die Jahre wie selbstverständlich gelebt hatte, überhaupt nicht normal war. Mit jedem Atemzug, den sie tat, seit sie den Powderham Crescent verlassen hatte, ging es ihr besser.
    Dawn kam mit einem Tablett mit Gläsern und einer Flasche Merlot und schaltete sich in die Unterhaltung ein.
    »War er früher schon mal gewalttätig zu dir?«, fragte sie.
    »Nein.« Grace atmete tief aus. »Er war schon immer leicht aufbrausend, aber ich hätte nie gedacht, dass er zu so etwas im Stande ist.«
    »Das kann einem ganz schön Angst machen, stimmt’s?« Dawn schauderte. »Wisst ihr noch, wie dieser eine Typ in Schottland ausgeflippt ist und diese ganzen Kinder erschossen hat? Was bringt jemanden bloß dazu, so auszurasten?«
    »Ich nehme an, in vielen Fällen ist es einfach eine sehr lange, langsam abbrennende Zündschnur zum Dynamit«, seufzte Christie. Sie fragte sich, was für eine Ehe Grace eigentlich führte, dass ihr Mann zu ihrer Arbeit fuhr und sich nach ihren Pensionierungsaussichten erkundigte. Allein schon nach diesem kleinen Detail zu urteilen, schien er ein echter Kontrollfreak zu sein. Ein Typ, der unter Druck eher ausflippte als einknickte.
    Grace nahm einen Schluck Wein; er rann ihr warm durch die Kehle. Fast so warm wie der Gedanke, dass sie an diesem Abend wieder zum West House zurückfahren würde, nicht zu ihrem wirklichen Zuhause. Auch wenn sie noch früh genug dorthin zurückkehren müssen würde.
    »So, wie ich Gordon kenne, sagt er sich jetzt vermutlich: ›Was für ein Theater wegen eines kleinen häuslichen Streits.‹ Ich würde mich nicht wundern, wenn er von mir erwartet, dass ich ihm sein Essen auf den Tisch stelle, wenn er nachhause kommt, und kein Wort mehr darüber verliere.«
    »Das soll wohl ein Witz sein!«, sagte Raychel, aber im selben Augenblick fiel ihr wieder ein, wie schnell sich Nathan Lunn immer von seinen Tobsuchtsanfällen erholt hatte und genau an dem Punkt wieder weitergemacht hatte, an dem er gewesen war, bevor er ausflippte. Es war, als würden diese Schläge in einer Zeitschleife existieren, die einfach verdrängt wurde, nachdem alles vorbei war.
    Grace wusste, dass sie mit ihrer Vermutung nicht weit danebenlag. Sie war vielleicht keine erfahrene Psychologin wie Christie, aber sie kannte ihren Mann, der so bald wie irgend möglich ihr Ex mann sein würde. Gordon würde sich bis zum Äußersten mit ihr anlegen, das wusste sie. Er würde der Ansicht sein, dass sie überreagierte und eine ›dumme Kuh‹ war und dass sie ›diesen ganzen Unsinn endlich lassen sollte‹. In seinem Gehirn gab es keine Kammer, die sich seine Schuld eingestand, das hatte es noch nie gegeben. Er würde nicht einsehen, dass er irgendetwas getan hatte, wofür er sich entschuldigen sollte, er hatte nur ›für Ordnung gesorgt‹, was schließlich seine Aufgabe als Oberhaupt eines angesehenen Hauses war. Sie dachte an Gordon, der alle Brücken zu Paul abgebrochen hatte, der den kleinen Joe angeschrien hatte, der Laura aus dem Haus geworfen hatte, und dann an all das, was er ihr angetan hatte. Sie konnte von Glück reden, noch einmal davongekommen zu sein. Und doch wusste sie, dass Gordon sein Verhalten als völlig vernünftig ansehen würde. Grace holte einmal tief Luft, um mit den anderen ein Geheimnis zu teilen, von dem sie noch niemandem etwas gesagt hatte.
    »Ich wollte ihn verlassen.«
    »Hat er das gewusst?«, fragte Anna.
    »Nein, aber ich nehme an, er hat es geahnt, und er hatte keine Ahnung, was er dagegen unternehmen sollte. Er hat mich mehr oder weniger beschuldigt, auf der Arbeit eine Affäre zu haben.«
    »Was? Mit wem denn?«, schnaubte Dawn.
    »Niemand Bestimmtes. Er hat sich nur einen Grund zurechtgelegt, um sein Verhalten zu entschuldigen.«
    Christie nickte. »Eine Zurückweisung kann leicht Gewalt auslösen.« Sie sah, wie Grace’ Gehirn arbeitete, und knuffte sie in die Seite. »Jetzt bist du ja in Sicherheit«, flüsterte sie. »Und unter Freundinnen.«
    »Ja«, sagte Grace. »Und ich möchte euch gern sagen, dass ich euch alle als meine Freundinnen

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