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Ein Kerl macht noch keinen Sommer

Ein Kerl macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Kerl macht noch keinen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milly Johnson
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auftrage.«
    »Was immer du für das Beste hältst«, sagte Christie. Sie gebot ihrem Bruder Schweigen, als er wieder den Mund aufmachen wollte. »Ich fahre dich hin, wenn du unbedingt willst. Und ich sage dir jetzt, wenn du das Gefühl hast, dass es zu viel für dich ist – dann kommst du gleich wieder hierher.«
    Grace nickte, aber sie sagte nichts. Die Wärme an diesem Tisch trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie fühlte sich sicher und beschützt im West House, und sie klammerte sich mit aller Macht an dieses Gefühl von Geborgenheit. Sie wusste aber auch, wenn sie nicht bald durch diese große Haustür hinausging, dann würde sie es vielleicht niemals tun.

Siebenundfünfzigstes Kapitel
    A ls Grace zur Arbeit erschien, wurde sie sofort von ihren Kolleginnen umringt, die sie fragten, was zum Teufel sie denn hier verloren hätte. Aber die Frage war rein rhetorisch. Sie brauchten keine Antwort. Stattdessen stellten sie ihr einen Kaffee, einen großen Teller mit Keksen und die Büropackung mit Taschentüchern hin, denn ihre fürsorglichen Fragen trieben Grace schon wieder die Tränen in die Augen.
    »Wie geht es dir denn, oder ist diese Frage völlig idiotisch?«, fragte Dawn, als sie mit dem zweiten Frühstück kam. »Nicht dass ich sehr oft etwas Idiotisches sagen würde«, kicherte sie selbstironisch.
    »Ganz okay«, sagte Grace ruhig. Und seltsamerweise ging es ihr wirklich ganz okay. Sie verspürte eine erstaunliche Distanz zu den Ereignissen der letzten Tage. Sie reagierte nicht einmal panisch auf einen knappen Bericht im Evening Star über eine Frau in Penistone, die von ihrem Mann gegen ihren Willen in ihrem Haus festgehalten und dann von der Polizei befreit worden war. »Ein namentlich nicht genannter Mann wurde im Zusammenhang mit dem Vorfall festgenommen«, hieß es in dem Artikel. Nicht erwähnt wurde, dass der namentlich nicht genannte Mann in eine psychiatrische Klinik zwangseingewiesen worden war, wie die Polizei der Familie mitgeteilt hatte.
    Grace wusste, dass das alles zu viel zu verdauen war und dass ihr Gehirn sie schützte, indem es das Grauen auf Abstand hielt, bis sie stark genug war, um sich damit zu befassen. Das half ihr vorübergehend. Aber nachts sah die Sache völlig anders aus. Sie brauchte die Schlaftabletten, die das Krankenhaus ihr mitgegeben hatte, um in die Art Tiefschlaf zu fallen, in die keine Träume eindringen konnten.
    »Kommst du morgen mit zum Pub?«, fragte Anna und knuffte Grace kumpelhaft in die Seite. Von Nahem betrachtet, waren die blauen Flecken unter Grace’ Make-up deutlich zu sehen, dachte Anna, aber sie sagte nichts dazu. »Ich verstehe es natürlich, wenn du nicht willst, aber ohne dich wäre es einfach nicht dasselbe.«
    »Sehr gern«, erwiderte Grace.
    »Wunderbar«, sagte Dawn. Sie schämte sich insgeheim, aber die Freitagabende konnte sie inzwischen kaum noch erwarten.
    Zu Dawns Entsetzen war die Bühne leer, als die fünf Frauen am nächsten Abend die Rising Sun betraten.
    »Spielt die Band heute Abend gar nicht?«, fragte sie eine vorbeikommende Bedienung, während sie an der Bar stand.
    »Ich glaube, sie sind fertig«, sagte sie und rauschte mit einem Gewürzständer für ein paar Essensgäste an ihr vorbei.
    Dawn wurde heiß und schwindelig. Sie war wie vor den Kopf geschlagen, während sie für sie alle Wein bestellte. War das der Grund, weshalb Al Holly letztes Wochenende den Tag mit ihr hatte verbringen wollen? War das seine Art, sich von ihr zu verabschieden, ohne es laut auszusprechen? War das die »Überraschung«, die er ihr für heute Abend angekündigt hatte?
    »Ich habe mich geirrt«, sagte die Bedienung, als sie neben Dawns Schulter wiederauftauchte. »Offenbar stecken sie auf der Autobahn im Stau. Sie werden bald hier sein.«
    Dawns Stimmung hellte sich augenblicklich auf. Um genau zu sein, hellte sie sich nicht nur auf, sie schoss raketenartig in die Höhe. Weiß Gott, wie ihr geschehen würde, wenn sie ihn wiedersah. Seit letztem Sonntag hatten sich die Tage bis zu diesem Wochenende so quälend langsam hingezogen wie eine Schildkröte mit arthritischen Knien.
    »Was ist denn jetzt eigentlich mit deinem Mann?«, fragte Anna Grace zögernd. »Du musst natürlich nicht darüber reden, wenn du nicht willst.«
    »Er ist im Krankenhaus«, sagte Grace in einem völlig emotionslosen Ton. »Er steht unter psychiatrischer Beobachtung.« Sie konnte sich schon vorstellen, wie wütend Gordon darüber sein musste. Es würde ihm nicht gefallen, als

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