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Ein Kerl macht noch keinen Sommer

Ein Kerl macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Kerl macht noch keinen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milly Johnson
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anzufangen, aber sie wollte nur das Allernötigste mitnehmen. Wenn sie in ein neues Zuhause zog, dann sollte alles unbenutzt sein. Dinge, die Gordon nicht berührt hatte. Dinge, die Gordon nicht ausgesucht hatte.
    Als sie das Haus jetzt so nüchtern betrachtete, fiel ihr auf, wie sehr seine Entscheidungen immer alles bestimmt hatten, von dem Sofa, auf dem sie saßen, bis zu dem Tisch, von dem sie aßen, von der Tapete, die sie ansahen, bis zu der Farbe der Teppiche, über die sie liefen.
    Gordon . Sie fragte sich, wie er allein zurechtkommen würde, nachdem er sein Leben lang immer nur die Rolle des Alphamännchens gespielt hatte. Sie sah einen großen Wäschekorb mit seiner frischen Unterwäsche. Instinktiv schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, dass sie sie ordentlich in seine Schubladen räumen sollte, aber er wurde rasch von vernünftigeren Gedanken verdrängt. Die Geister von dreiundzwanzig Jahren Pflichtbewusstsein waren offenbar weitaus schwerer zu besiegen als ihre Gefühle.
    Gordon würde einen Monat zur Beobachtung in der Klinik bleiben müssen. Sie wusste nicht, ob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen ihn erheben würde. Soweit sie wusste, würde das unter anderem von den Befunden aus der Klinik abhängen. Aber im Grunde ihres Herzens wusste sie, dass Gordon nicht verrückt war. Er war ein Schikanierer von der schlimmsten Sorte. Sie hatte ihm viel zu viel durchgehen lassen – hatte nie gegen ihn aufbegehrt, nur um den Frieden zu wahren. Sie hatte ein rotes Sofa vorgeschlagen, er hatte das braune haben wollen – also hatten sie das braune gekauft. Und so war es bei allem gewesen. Er hatte nicht bedacht, dass seine Kinder eines Tages erwachsen sein und außerhalb ihres Nests Dinge tun würden, die er nicht mehr unter Kontrolle hatte. Wie hatte sie vor all dem nur die Augen verschließen können? Es war ja nicht so, dass sie blind vor Liebe zu ihm gewesen war. Anfangs hatte sie gehofft, sie würden mit der Zeit zusammenwachsen und eine richtige Ehe führen. Aber er hatte diese Vorstellung schon bald zertrümmert, hatte nicht einmal über seine Probleme im Schlafzimmer reden wollen. Und sie hatte auch das einfach akzeptieren müssen. Er hätte professionelle Hilfe in Anspruch nehmen können, anstatt sich sein Leben davon ruinieren zu lassen. Er hätte ein völlig anderer Mensch sein können. Vielleicht hätte sie schon viel früher gegen ihn aufbegehren sollen. Wenn sie das getan hätte, dann wäre vielleicht alles anders gekommen.
    Pauls fürsorgliche Stimme drang an ihr Ohr.
    »Ich weiß, was du denkst, Mum, aber du hättest nichts tun können, um ihn zu ändern. Nichts von alledem ist deine Schuld.«
    »Ach Paul.« Grace lehnte den Kopf an die kräftige Schulter ihres Sohns. »Ich will einfach nur weg von hier.«
    Grace hoffte, sie würde eines Tages die schlechten Erinnerungen an dieses Haus herausfiltern und wieder die Kinder am Küchentisch malen oder vom Garten hereinstürmen sehen; ihre kleinen Kleidchen sehen, die auf der Wäscheleine hingen. Das Einzige, was sie im Augenblick wahrnehmen konnte, war der Geruch von Reinigungsmittel und dieses Loch des Nagels im Tischbein. Dieses Haus war fast vierundzwanzig Jahre ihr Zuhause gewesen, und sie war rund um die Uhr eine Gefangene darin gewesen – und doch wogen die Erinnerungen an jenen Montag weitaus schwerer als all die fröhlicheren, sonnigen Tage, an denen sie hier ihre geliebten Kinder großgezogen hatte.
    Dieses E-Book wurde von "Lehmanns Media GmbH" generiert. ©2012

Juni

Einundsechzigstes Kapitel
    D awn war nicht so gut aufgelegt wie sonst, schon die ganze Woche nicht. Sie war nicht ein einziges Mal fröhlich zur Tür hereingestürmt, um von irgendeiner abartigen Sendung zu berichten, die sie im Fernsehen gesehen hatte. Nicht einmal am Donnerstagmorgen, als sie mit vier Hochzeitseinladungen in der Hand hereinkam, sah sie wie eine aufgeregte künftige Braut aus.
    »Ich würde mich riesig freuen, wenn ihr alle kommen könntet«, sagte sie. »Von meiner Seite der Familie wird die Kirche ja kaum aus den Nähten platzen. Ich habe nur ein paar Großtanten und -onkel, die ich seit Jahren nicht mehr gesehen habe. Falls sie sich überhaupt blicken lassen. Vielleicht sind sie ja auch schon tot.«
    »Natürlich kommen wir«, sagte Christie, während sie dachte: Armes Ding . Sie wollte Dawn am liebsten zur Seite nehmen und sie fragen, ob sie jemanden zum Reden bräuchte. Sie nahm an, dass das Mädchen an mehr litt als nur einem Hochzeitsbammel. Aber

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