Ein Kerl macht noch keinen Sommer
und ebenso schnell aufhört, wie es gekommen ist, fing sich Christie wieder. Sie hob den Kopf, um diese vier rührenden Frauen anzusehen, die sie in so kurzer Zeit so lieb gewonnen hatte.
»Entschuldigung«, sagte Christie. »Er hat mir immer so viele Geschenke gemacht. Es tut mir leid, es war nur der Schock nach all den Jahren. Ich wusste gar nicht, dass er mir diese Tasche gekauft hatte. Ich habe sie noch nie gesehen.«
»Wie lieb von ihm«, sagte Dawn leise. »Er muss ein richtig netter Kerl gewesen sein.«
»Ich vermisse ihn so. Ich habe Jahre gebraucht, um wenigstens ein bisschen darüber hinwegzukommen. So jemanden wie ihn werde ich nie wieder finden. Auch wenn viele Leute denken, dass James McAskill mein Bett wärmt.«
»Dann sind sie eben dumm«, sagte Dawn entschieden. »Von uns denkt das keine.« Sie wusste, dass sie für sie alle sprach. »Auch wenn nicht zu übersehen ist, dass er dich mag. Und das sehen auch andere Leute und verstehen es völlig falsch.«
»James McAskill und ich kennen uns seit vierzig Jahren. Er war der sprichwörtliche Nachbarsjunge«, begann Christie mit einer Geste nach links. »Ich habe noch nie so kalte Leute wie seine Eltern erlebt: so negativ, so kritisch. Wenn er eine Eins in der Schule hatte, haben sie ihn gefragt, warum er keine Eins plus habe. Er hat immer mit Niki und mir gespielt, als wir klein waren. In diesem Haus hier, bei meiner Familie, hat er viel Wärme und Liebe erfahren. Er war, ist und wird immer einer meiner engsten Freunde sein. Er und Diana natürlich, die ich wie eine Schwester liebe. Das ist die schlichte Wahrheit. Es sind einfach wundervolle Leute. Als Peter starb, da waren es James und Diana – und Niki natürlich –, die verhindert haben, dass ich ihm gefolgt bin. Aber ihr sollt wissen, dass ich erst, seit ich angefangen habe, mit euch allen zusammenzuarbeiten, das Gefühl habe, wieder zu dieser Welt zu gehören.«
Grace sah auf die unzähligen Kleider rings um sie. Sie fragte sich, ob Christie Somers die Lücken dieses Verlusts in ihrem Herzen mit Shoppingtouren zu füllen versuchte. Diese Unmengen an Kleidern und Accessoires schienen eher eine Obsession als ein Hobby zu sein.
»Ich weiß, was du denkst, Grace. Ja, ich habe vor Trauer fast den Verstand verloren. Und wenn ich mir dieses Zimmer hier ansehe, glaube ich, zum Teil habe ich das wirklich.«
»Ich denke überhaupt nicht, dass du den Verstand verloren hast«, sagte Raychel. Sie klang für ihr Alter sehr weise, als sie fortfuhr: »Man tut, was man tun muss, um stark zu bleiben und sein Leben weiterzuleben.«
Christie nickte langsam, zustimmend. »Ich hatte immer gehofft, dass Peter mir ein Zeichen schickt, um mir zu sagen, dass es ihm gut geht, aber das hat er nie getan. Ich habe so fest geglaubt, dass er es tun würde, habe mich an die Hoffnung geklammert, dass sein Geist weiterlebt. Das hätte mir sehr geholfen.«
»Ich weiß, mir ging es genauso. Aber ich glaube, dass das Leben eben weitergeht. Ich …«, begann Dawn, doch dann brach sie ab.
»Red weiter, Liebes, was wolltest du sagen?«, fragte Christie.
Dawn überlegte, ob sie es einfach abtun und nichts weiter sagen sollte. Dann sah sie die vier Frauen um sich herum an, und sie wusste, dass das, was sie im Begriff war zu sagen, nicht lächerlich gemacht oder durch den Schmutz gezogen werden würde. Egal, wie unbeholfen sie es ausdrückte.
»Ich habe euch das alles nie erzählt, da ich dachte, dann würdet ihr mich erst recht für durchgeknallt halten«, begann Dawn. »Aber als ich Calums Tante Charlotte in diesem Altersheim besucht habe, da hat sie auf einmal meine Hand genommen und gesagt: ›Wir wollen doch nur, dass du glücklich bist, Dee Dee.‹, und ihre Stimme klang gar nicht wie ihre eigene. Und das hat mich völlig umgehauen, denn wisst ihr … wisst ihr … meine Mum und mein Dad haben mich immer Dee Dee genannt. Das war ihr Kosename für mich. Ich weiß, es klingt völlig verrückt, aber es war, als ob sie mir eine Botschaft schicken wollten. Ich kann es nicht erklären, aber ich weiß , dass sie es waren.«
»Das muss so tröstlich gewesen sein.« Christie lächelte übers ganze Gesicht.
Dawn nickte. Aber sie sagte nichts davon, dass die Stimme, die aus Tante Charlotte sprach, auch gesagt hatte: Was tust du da?
»Ich habe noch nie geglaubt, dass mit dem Tod alles endet. Ich habe keinen Beweis dafür, ich glaube es einfach. Ich glaube, dass meine Mum und mein Dad ihre Ranch oben im Himmel haben und Dad auf seiner
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