Ein Kerl macht noch keinen Sommer
tut mir leid.«
Raychel sah Hilfe suchend zu Ben hinüber, aber er schüttelte nur resigniert den Kopf.
»Sag es ihnen, Raychel. Sag ihnen, dass sie recht haben.«
Elizabeth brach in Tränen aus und versuchte dann verzweifelt, sie zurückzuhalten. »O mein Gott. Du bist so schön, Raychel. Ich habe mich immer gefragt, ob du geboren wurdest und wo du bist. Ich habe alles versucht, um dich und deine Mutter zu finden. Wo ist Bev? Geht es ihr gut?«
Raychel hielt sich die Ohren zu. »Bitte, bitte, Ben. Ich kann nicht …«
Ben stellte sich neben Raychel und legte beschützend einen Arm um sie.
»Ich denke, ihr solltet jetzt besser gehen«, sagte er. »Es tut mir leid, John, dich darum zu bitten, aber es ist zu viel für Raychel. Sie muss über so vieles nachdenken.«
»Es tut mir so leid.« Tränen liefen Elizabeth über die Wangen. »Ich musste einfach kommen.«
John zupfte Elizabeth sanft am Ärmel, obwohl er sehen konnte, wie viel ihr Raychels Anblick nach all den verlorenen Jahren bedeutete. »Komm schon, Schatz, das reicht jetzt.«
»Ich wollte dich nicht belästigen, ich wollte dich nur sehen. Bitte komm mich mal besuchen«, sagte Elizabeth. »Ben weiß, wo wir wohnen. Wenn du so weit bist.«
Ben sagte nichts, er drückte Raychel nur fest an sich. Daher war er überrascht, als er spürte, wie sie nickte, ja, das werde sie tun.
»Bald«, sagte Elizabeth. »Ich will dir nichts Böses tun. Ich würde dir um nichts in der Welt wehtun.« Dann ließ sie sich von ihrem Mann zur Tür hinausführen und schloss sie sanft hinter ihnen.
Ben und Raychel standen eng umschlungen da, still, schweigend. Dann sah sie in sein freundliches Gesicht hoch und sagte in einem ruhigen, versöhnlichen Ton: »Ich werde sie besuchen, Ben. Ich werde ihr sagen, was sie wissen will. Vielleicht können wir Frieden nur finden, indem wir dafür kämpfen.«
Sechsundvierzigstes Kapitel
D u bist ja so still heute, Raychel«, sagte Christie am nächsten Morgen. »Alles in Ordnung mit dir?«
Raychel riss sich mit einem Ruck aus ihrer Tagträumerei zurück. »Entschuldigung, ja, alles bestens.«
»Du musst dich doch nicht entschuldigen, es war nur eine Frage.«
»Sie hat vermutlich die erste Zahlungsaufforderung für ihre Hypothek gekriegt«, rief Anna herüber. »Das reicht bestimmt, um jeden in Verzweiflung zu stürzen.«
»Ich habe nur meine Tage«, sagte Raychel, um eine einleuchtende Ausrede bemüht. »Ich muss dringend ein bisschen Zucker ins Blut bekommen. Soll ich irgendjemandem was vom Schokoladenautomaten mitbringen?«
»Bring am besten gleich den ganzen Automaten mit«, grinste Christie. »Wir teilen uns alles.«
»Bin gleich wieder da.« Raychel schlich aus dem Büro. Sie wollte eigentlich gar nichts aus dem Automaten, aber sie würde so tun, als würde sie irgendetwas naschen. Sie wünschte, dieser Tag könnte schon vorbei sein. Heute Abend würde sie Elizabeth Silkstone zuhause besuchen, und ihr graute entsetzlich davor.
John Silkstone war nach dem Abendessen mit seinem Sohn losgefahren, um ihm eine Baustelle zu zeigen, damit sich Elizabeth und Raychel allein unterhalten konnten. Elizabeth hatte den ganzen Tag wie auf glühenden Kohlen gesessen, aber in der letzten halben Stunde des Wartens gingen ihre Nerven fast mit ihr durch. Als es klingelte und sie die Tür öffnete, stand eine kreidebleiche Raychel mit grauen, nervösen Augen vor ihr. Denselben Augen, die sie so oft im Spiegel gesehen hatte, bevor John Silkstone ihnen Frieden geschenkt hatte.
»Komm herein, Liebes, komm herein.«
Raychel trat zögernd über die Schwelle. Es war ein schönes Haus, die Art Haus, von dem sie und Ben immer geträumt hatten, als sie klein waren. Viele Zimmer und viel Licht und nach Möbelpolitur riechendes Holz und eine große Küche, in die Elizabeth sie jetzt führte, während sie ihr sagte, sie solle an dem schweren, massiven Kieferntisch Platz nehmen, während sie Wasser aufsetzte.
Auf dem Tisch lagen Bleistiftskizzen eines kleinen Jungen, die von einem Foto abgemalt waren.
»Ist das dein kleiner Sohn?«, fragte Raychel.
»Ja, das ist mein kleiner Zweijähriger, Ellis«, sagte Elizabeth. »Er ist mit seinem Dad unterwegs«, fügte sie hinzu. »Kann ich dir einen Kaffee anbieten? Tee?«
»Kaffee, bitte. Schwarz.«
»Und … und habt ihr Kinder geplant?«
Raychels Blick huschte zu ihr hinüber.
»Wenn du wirklich meine Tante bist, dann müsstest du wissen, dass ich keine Kinder haben kann«, sagte sie mit einem freudlosen
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