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Ein Kerl macht noch keinen Sommer

Ein Kerl macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Kerl macht noch keinen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milly Johnson
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einem seltsamen Lächeln, nachdem ihre Tränen versiegt waren, »ich weiß nicht, ob du meine Tante oder meine Schwester bist, denn eigentlich bist du ja beides, oder? Und Ben ist mein Mann, und doch haben wir eine gemeinsame Schwester.« Sie lachte, und dann ging dieses Lachen ohne jede Vorwarnung in harte, schluchzende Tränen über.
    »Meine Mutter hat mich letztes Jahr ausfindig gemacht und mir geschrieben«, begann Raychel wieder. Sie wischte sich mit dem Handballen die Tränen weg. »Sie wollte sich mit mir treffen, erklärte, sie habe mir etwas zu sagen. Ich habe ihr nicht zurückgeschrieben. Ich wollte nie wieder etwas mit ihr oder irgendjemandem aus ihrem Umfeld zu tun haben. Ich würde niemals Kinder haben wollen, selbst wenn ich könnte. Ich hätte zu viel Angst davor, ihnen wehzutun.«
    So viele Gefühle durchströmten Elizabeth, dass sie keine Hoffnung hatte, sie ordnen und definieren zu können. Aber sie wusste, was diese schöne junge Frau, die hier vor ihr stand, am meisten quälte, denn sie hatte genau dasselbe durchgemacht. Sie hatte schreckliche Angst gehabt, das Muster würde sich in ihr wiederholen, ihre verdorbenen Gene würden sich durchsetzen. Lange Zeit hatte sie gedacht, Frauen aus »Inzuchtfamilien« wie sie hätten nicht das Recht, sich fortzupflanzen. Dann war sie schwanger geworden, und in ihr hatte eine Tigerin gebrüllt, dass sie ihr Kind um jeden Preis beschützen würde.
    »Mein liebes Mädchen«, sagte sie. »Ich würde jeden umbringen, der versucht, meinen Sohn so zu verletzen, wie du verletzt wurdest. Denk nie, dass du denselben Weg einschlagen würdest wie deine Mutter. Großer Gott.« Sie spürte, wie ihr schwindelig und flau im Magen wurde. Das Monster, das Raychels Mutter war, war dieselbe Schwester, um die sie all die Jahre geweint und sich gesorgt hatte. Sie suchte an der Stuhllehne Halt.
    »Wo hat Bev denn gelebt, als du diesen Brief von ihr bekommen hast?«
    »Sie ist zurück nach Newcastle gegangen, als sie freikam, und hat sich wieder Bev Hunt genannt. Ich habe den Brief weggeworfen und die Adresse nicht behalten.«
    »Gott sei Dank hast du Ben, und er dich.« Elizabeth wollte am liebsten auch um Bens willen weinen. Sie stellte sich vor, wie er sich im Fitnessstudio verausgabte, um immer einen möglichst kräftigen und durchtrainierten Körper zu haben. Die Ängste eines kleinen Jungen, die in dem großen, erwachsenen Mann noch immer da waren.
    »Wir sind jetzt glücklich«, sagte Raychel leise. »Wir machen viele nette, alberne Dinge zusammen. All die Dinge, die wir verpasst haben. Aber er hat noch immer Albträume, und das bricht mir das Herz. Ich hatte schon immer das Gefühl, dass wir beide anders als der Rest der Welt sind, als ob wir nicht dazugehören würden und es auch gar nicht erst versuchen sollten.«
    All die Jahre hatte sie es als ihre Pflicht angesehen, andere Leute von sich fernzuhalten. Sie hatte sich fast so beschmutzt gefühlt, als hätte sie ein Lepraglöckchen getragen.
    »Es kann schwer sein, andere Leute an sich heranzulassen«, sagte Elizabeth sanft. Sie hatte früher selbst geglaubt, es nicht verdient zu haben, freundlich behandelt zu werden. »Aber du darfst nie denken, dass du wegen der Fehltritte anderer Leute keine Freundschaft und Liebe verdient hast. Ich verstehe, was du durchmachst.« Elizabeth nahm das Gesicht der jungen Frau in ihre Hände. »O Raychel, ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass du zu mir gekommen bist. Aber das alles hätte ich einfach niemals gedacht.«
    »Kann ich dich mal wieder besuchen?«, fragte Raychel mit leiser, hoffnungsvoller Stimme. Sie war selbst verblüfft von ihrer Frage. Sie hatte es nicht vorgehabt.
    Elizabeth drückte die jüngere Frau fest an sich. Sie sagte nichts, denn das musste sie nicht.
    Sie hielten einander lange Zeit. Sie hatten beide in der anderen etwas gefunden, was sie nicht erwartet hatten. Es gab kein Wort dafür, nur ein Gefühl von Frieden.

Siebenundvierzigstes Kapitel
    A m Donnerstagabend warf Gordon über seine Zeitung einen Blick auf Grace und sagte mit einem ungewohnt sanften Unterton: »Du siehst müde aus. Hattest du eine anstrengende Woche?«
    »Es geht mir gut«, gab Grace knapp zurück. Aber es ging ihr nicht gut. Sie hatte nicht allzu gut geschlafen, denn die Ereignisse der letzten Wochen gingen ihr ständig durch den Kopf und gönnten ihrem Gehirn keine Ruhe. Paul und Laura riefen nicht mehr zuhause an, um nicht Gordon am Telefon zu haben, und ihr Handy hatte sie

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