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Ein Kerl macht noch keinen Sommer

Ein Kerl macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Kerl macht noch keinen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milly Johnson
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leisen Lachen. »Na ja, ich kann, aber ich kann auch nicht.«
    »Hast du gesagt, mit Zucker?«, fragte Elizabeth mit bebender Stimme.
    »Meine Mutter hat mir erzählt, wer mein Vater war«, sagte Raychel. »Stimmt das?«
    »Ich weiß nicht, was sie dir erzählt …«
    »Sie hat mir erzählt, mein Vater sei mein Großvater. Sie, du und ich, wir haben alle denselben Dad.«
    »Das hat sie dir erzählt?« Elizabeth war entsetzt davon, aber sie stritt es nicht ab.
    »Und deswegen kann ich keine Kinder haben«, sagte Raychel. Ihre Stimme war hart, wie eine schützende Muschelschale. »Weil ich schmutzig bin. Ich habe ›schmutziges Blut‹, so hat sie es ausgedrückt.«
    Elizabeth verbarg das Gesicht in den Händen, während sie darauf wartete, dass das Wasser kochte. Sie war noch ein kleines Mädchen gewesen, als ihre Schwester Beverley, mit fünfzehn Jahren schwanger, von zuhause weggelaufen war. Elizabeth war zu jung gewesen, um zu begreifen, dass ihr Vater ihre Schwester missbraucht hatte. Erst als er seine Aufmerksamkeit Elizabeth zuwandte, hatte ihr jugendliches Gehirn ihr gesagt, dass sie sich zu ihrer Tante Elsie flüchten musste, die sie großzog, liebte und behütete. Es war nicht die Schuld dieses schönen Mädchens, dass sie aus einer so kranken Beziehung stammte.
    »Du bist nicht schmutzig«, sagte Elizabeth. »Nichts von alledem hätte je deine Schuld sein können.« Sie hatte ein schlechtes Gewissen, ohne genau sagen zu können, warum. Sie hatte versucht, Bev ausfindig zu machen, aber ihre Sozialversicherungsnummer war nie benutzt worden. Und nachdem sie so lange immer nur Nieten gezogen hatte, war sie irgendwann davon ausgegangen, dass Beverley tot war. Sie hatte keine Türen mehr gehabt, an die sie noch hätte anklopfen können.
    »Ich habe jahrelang nach deiner Mutter gesucht.«
    »Du hättest sie nicht finden können.« Raychel kämpfte gegen das Zittern in ihrer Stimme an. »Sie wollte nicht gefunden werden. Sie hat ihren Namen erst zu Marilyn Hunt und später zu Marilyn Lunn geändert. Dann, als wir dreizehn waren, ist sie ins Gefängnis gekommen. Sie ist natürlich seit ein paar Jahren wieder draußen.«
    »Ins Gefängnis? Wieso das denn?« Elizabeth wischte die dicken Tränen weg, die ihr über die Wangen kullerten. »Was ist denn passiert?«
    »Gott, wo soll ich da anfangen?« Raychel schüttelte den Kopf. An diesem Tag hatte sie Grace mit ihrer ältesten Tochter am Empfang gesehen, und die Art, wie die beiden sich umarmten, hatte irgendetwas in ihr ausgelöst. Sie hatte niemanden, der sie so umarmte. Keine Verwandte, mit der sie Arm in Arm durch die Stadt laufen konnte, plaudernd, lachend, einander mit Wärme erfüllend. Natürlich, sie hatte Ben, aber mit den Frauen in diesem Büro zusammenzuarbeiten hatte irgendetwas in ihr zum Leben erweckt. Die aufkeimende Freundschaft zwischen ihnen hatte ihr ein neues Gefühl von Akzeptanz gegeben, anders als durch ihn. Allmählich tat es ihr gut und erschien es ihr richtig, andere Leute nah an sich heranzulassen. Sie wusste, dass sie sie nicht verurteilten oder auf ihre Seite ziehen wollten, um sie verletzen zu können.
    Elizabeth vergaß das Wasser, das sie aufgesetzt hatte, und ließ sich auf einen Stuhl fallen, und Raychel holte einmal tief Luft und begann.
    »Meine Mutter hat oft gesagt, sie hätte mich abtreiben sollen, und sie hatte recht. Sie hätte niemals Kinder bekommen dürfen. Wenn sie mich nicht verprügelt hat, weil sie betrunken war und nicht wusste, was sie tat, oder mich die ganze Nacht allein gelassen hat, dann hat sie sich selbst missbraucht – mit Drogen, Alkohol, Männern. Damals hieß ich noch Lorraine, und wir sind ständig umgezogen, von einem schäbigen Loch zum nächsten. Ich kann mich an kaum etwas erinnern, bevor es uns nach Newcastle verschlagen hat, nur dass ich oft allein war und viel ferngesehen habe. Ist das nicht seltsam? Es ist, als ob meine frühe Kindheit nie existiert hätte.«
    Elizabeth nickte. Sie kannte eine solche lieblose Kindheit. Bevor ihre Tante sie zu sich genommen hatte.
    Raychel fuhr fort, in einem gefassten, emotionslosen Ton.
    »Dann ist sie zu einem echten Seelenverwandten gezogen – eine Beziehung, bei der der Teufel Pate stand –, zu einem Mann namens Nathan Lunn, und der hatte einen kleinen Jungen, der genauso alt war wie ich – David. Ich weiß noch, dass ich ihn auch nicht besonders leiden konnte, er war nervös und still, aber wie hätte das auch anders sein sollen, wo Nathan Lunn ihn immer grün

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