Ein Kerl macht noch keinen Sommer
auf stumm geschaltet, damit Gordon es nicht mitbekam, wenn sie ihr eine SMS schickten. Sarah war die Einzige, die noch anrief, aber auch das nur, wenn sie einen Babysitter brauchte. Grace hingegen erreichte jedes Mal nur den Anrufbeantworter, wenn sie bei ihrer jüngsten Tochter anrief, um zu hören, ob mit ihrer Schwangerschaft so weit alles gut verlief. Sarah hatte sich bei Grace nicht nach ihrem Bruder oder ihrer Schwester erkundigt und sie mit keinem Wort erwähnt. Nicht dass Laura oder Paul erwarteten, dass Sarah sie anrief, um ihre Unterstützung anzubieten. Es war Grace unbegreiflich, wieso Sarah so viel kaltherziger war als ihre Geschwister. Sie war doch noch viel mehr verwöhnt und verhätschelt worden.
»Du solltest besser früh zu Bett gehen«, sagte Gordon. »Na los, leg dich schon schlafen.«
Grace verbiss sich die Antwort, die ihr auf der Zunge lag. Es war halb neun, du liebe Güte. Warum in aller Welt sollte sie denn um halb neun zu Bett gehen?
»Ich sehe vielleicht müde aus, aber es geht mir gut«, sagte Grace noch einmal mit einem angespannten Lächeln.
»Was hältst du eigentlich davon, in Teilzeit zu gehen?«, fragte Gordon, während er den Sportteil der Zeitung in eine lesbare Form schüttelte. »Du solltest dich mal danach erkundigen.«
»Später vielleicht«, sagte Grace. »Diese Arbeit macht mir Spaß, und ich will nicht so früh anfangen, Forderungen zu stellen.« Die Arbeit war das Einzige, was ihre Lachmuskeln in Bewegung hielt und ihrem Gehirn eine kleine Erholung von ihrer familiären Situation bot. Seit Laura, Paul und Joe aus dem Haus verbannt waren, gab es keine befreienden Momente mehr von Gordons erdrückender Gegenwart. Sie hatte allmählich Albträume davon, in einem winzigen, stickigen Wohnwagen mit ihm eingezwängt zu sein. Es gab dort weder Türen noch Fenster, und sie konnte sich darin nicht bewegen, ohne ihn zu berühren.
»Ich mache uns eine heiße Schokolade«, sagte Gordon.
Grace widersprach ihm nicht. Es war leichter, ihm einfach seinen Willen zu lassen. Nicht dass das etwas Neues war. Außerdem faselte er dann nicht noch länger davon, wie müde sie aussähe, und kam ihr wenigstens für fünf Minuten nicht unter die Augen.
»So, das ist jetzt genau das Richtige für dich, damit du dich entspannst«, sagte er und drückte Grace einen Becher in die Hand. Sie hatte ihn kaum zur Hälfte getrunken, als sie zu gähnen begann und eindeutig schläfrig wurde. Vielleicht hatte Gordon ausnahmsweise einmal Recht, dachte sie, nachdem sie ihm eine gute Nacht gewünscht hatte. Vielleicht war sie wirklich erschöpfter, als sie dachte.
Achtundvierzigstes Kapitel
A ls Christie am nächsten Morgen früh ins Büro kam, saß Grace bereits an ihrem Schreibtisch, den Kopf in die Hände gestützt. Sie hatte dröhnende Kopfschmerzen, schlimmer als jeder Kater.
»Mein Gott, Grace, geht’s dir gut? Du bist ja kreidebleich!«, sagte Christie als Erstes.
Komm du mir nicht auch noch damit, war Grace’ erster Gedanke. Erst sagte Gordon ihr, sie sähe müde aus, und jetzt auch noch ihre Arbeitskolleginnen. Gestern Abend war sie um Viertel nach neun eingeschlafen, kaum dass ihr Kopf aufs Kissen gefallen war. Sie hatte tief und traumlos geschlafen und war um halb sechs mit dröhnenden Kopfschmerzen aufgewacht. Sie fühlte sich, als hätte sie nur halb so viel Schlaf bekommen, wie sie brauchte. Eine extra starke Paracetamol hatte die größten Schmerzen gelindert, aber inzwischen hatte die Wirkung nachgelassen, und ihre Kopfschmerzen waren schlimmer als je zuvor. Sie hatte eben noch zwei Tabletten geschluckt und hoffte, dass sie bald helfen würden.
»Hier, nimm meinen Kaffee«, sagte Christie und schob ihn Grace hin. »Ich habe ihn noch nicht angerührt, und du nimmst ihn doch genauso wie ich, oder – mit Milch, ohne Zucker?«
»Nein, nein, es geht schon«, sagte Grace, aber Christie ließ nicht mit sich reden. »Okay, danke, Christie. Ich habe geschlafen wie ein Stein. Vielleicht fühle ich mich deshalb ausgelaugter, als wenn ich gar nicht geschlafen hätte.«
»Warum in aller Welt kommst du denn überhaupt zur Arbeit, wenn es dir nicht gut geht?« Christie drohte ihr mit einem Finger. »Fahr nachhause und lass dich von deinem Mann verwöhnen!«
»Gott behüte!«, entfuhr es Grace. Sie würde lieber versuchen, trotz Kopfschmerzen zu arbeiten, als bei ihm zuhause zu sein.
»Läuft’s zuhause im Moment nicht so gut?«, fragte Christie zögernd.
Grace presste die Hände gegen die
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