Ein kleines Stück vom Himmel nur
hat, sie für eine Flugstunde ins Cockpit zu kriegen, doch sie schrie und kreischte, weigerte sich rundweg und lief schlieÃlich fast fünf Kilometer zu Fuà nach Hause, um deutlich zu machen, wie ernst es ihr war. Sie wollte nicht fliegen lernen, und nichts und niemand konnte sie dazu bewegen.
Ich kann mir das sehr gut vorstellen. Meine Mutter ist die störrischste Person, die mir je begegnet ist. Aber ich kann trotzdem nicht verstehen, warum sie nicht fliegen wollte. Nie werde ich das aufregende Gefühl vergessen, das ich hatte, als ich um das Flugzeug herumging, die Tragfläche in Brusthöhe und der Propeller nur ein paar Zentimeter von meiner Nase entfernt. Wie ich auf den Pilotensitz geklettert bin und der Startfreigabe vom Tower gelauscht habe. Wie das ganze Flugzeug dröhnte und zitterte, während der Motor hochlief, der plötzliche Schub nach vorn, als Grandpa Joe die Bremse löste und wir über die Startbahn sausten und immer schneller wurden, das Gefühl der Schwerelosigkeit, als die Räder vom Boden abhoben, das Gras sich unter uns entfernte und die Bäume zu einem lebendigen, schwankenden Mosaik wurden.
Und vor allem nicht den Augenblick, etwa zehn Tage später, als ich genügend halbwegs ordentliche Starts und Landungen hingelegt hatte â so genannte Platzrunden â und Grandpa Joe in seinem langsamen, gedehnten Akzent sagte: »Okay, willst du dann mal allein eine Runde drehen?« Und ich nickte, denn es hatte mir die Sprache verschlagen. Er benachrichtigte den Tower, stieg aus dem Flugzeug und lieà mich allein zurück. Mein erster Alleinflug. Mir klopfte das Herz wie wild und pumpte mir das Blut durch die Adern, doch gleichzeitig war ich seltsam gelassen, und meine Hände lagen ruhig und entschlossen auf dem Steuerhorn. Mir war klar, dass ich jetzt alles hundertprozentig richtig machen musste. Wenn ich erst einmal gestartet war, konnte mir keiner mehr helfen. Ich musste eine Platzrunde fliegen und wieder landen, ganz allein.
Und ich schaffte es. Keine perfekte Landung, aber auch nicht schlecht. Damit gewann meine Liebe zum Himmel eine neue Dimension. Ich war nun keine Jungfrau mehr, ich hatte die Initiationszeremonie hinter mich gebracht.
Grandpa Joe versuchte sich die Erleichterung nicht anmerken zu lassen, als ich wieder auf festen Boden zurückgekehrt war. Auf seiner Stirn glänzten SchweiÃperlen, sie reichten bis in die breiten Geheimratsecken, und als er die Tür aufriss und sich ins Flugzeug beugte, um mir durchs Haar zu fahren, waren seine Handflächen ebenfalls ganz feucht und klebrig.
»Gut gemacht, Sarah.« Sachlich, aber mit einem rauen, gerührten Unterton in der Stimme. »Du bist jetzt eine echte Costello.«
Ich wies ihn nicht darauf hin, dass ich Sarah Lintern hieà und deshalb keineswegs eine Costello war und auch keine Amerikanerin, sondern Engländerin. In diesem Moment glühte ich vor Stolz und überschwänglicher Freude und hatte das Gefühl, gleich ausbrechen zu müssen wie der Vesuv. Und Grandpa Joes Lob war nur das Tüpfelchen auf dem i.
So war es immer: Ich bewunderte ihn, ich liebte ihn beinahe abgöttisch. Ein Lob aus seinem Munde war mir Ansporn genug.
»Du fliegst wie ein Engel, Sarah.«
Ich kann ihn jetzt hören, während ich eine Kurve über die smaragdgrünen und saphirblauen Flächen der Everglades fliege und Kurs zurück auf Varna nehme.
»Du fliegst wie ein Engel, Sarah.«
Zu meiner Rechten, am Rande meines Gesichtsfelds, ist eine schemenhafte Gestalt; hochgewachsen wie Grandpa Joe. Ich kann ihn beinahe spüren, neben mir auf dem Copilotensitz, die groÃen Hände ruhen entspannt auf seinen Knien, den scharfen Blick hat er aufmerksam in die Ferne gerichtet. Ich habe heute noch den süÃen, würzigen Duft seiner Bruyère-Pfeife in der Nase, die er ausklopft und in seine Tasche steckt, ehe wir abheben. Er ist jetzt seit fünf Jahren tot, er starb genauso ruhig und rücksichtsvoll, wie er gelebt hat â er schlief einfach in seinem Sessel ein und wachte nicht mehr auf â, doch wenn ich fliege, begleitet mich seine Stimme immer noch. Er ist immer noch da und lässt mich an seiner Weisheit teilhaben; manchmal schilt er mich, manchmal lobt er. Er sitzt auf meiner Schulter und flüstert mir ins Ohr: »Du solltest immer Achtung vor dem Himmel haben, Sarah. Wenn du ihn nicht ernst nimmst, Mädchen, dann zahlt er es
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