Ein kleines Stück vom Himmel nur
bestimmt gut behandeln wird â sicher wäre er ein groÃzügiger, verlässlicher Ehemann und groÃartiger Vater. Möglichkeit Nummer zwei: Ich schlage mich als alleinerziehende Mutter durch, aber dann käme Fergus als Vater nicht in Frage. Es wäre nicht fair, ihn so zu benutzen. Wenn ich es als alleinerziehende Mutter versuchen wollte, müsste ich jemanden finden, der mir nicht so nahesteht, oder mir sogar einen »anonymen Spender« suchen. Keine dieser beiden Möglichkeiten gefällt mir wirklich. Jedes Mal, wenn ich über eine davon ernsthaft nachdenke, schreckt ein Teil von mir innerlich zurück, so wie man sich vor einer Nacktschnecke ekelt, die durch die Türritze hereingekrochen ist und sich am Katzenfutter gemästet hat.
Beide Möglichkeiten sind allerdings immer noch besser als die dritte und letzte Alternative, die da hieÃe, mich damit abzufinden, dass ich niemals Mutter werde. Dass ich niemals erfahren werde, wie es ist, ein Kind auf die Welt zu bringen, niemals spüren werde, wie sich ein kleiner Körper an meine Brust schmiegt und eine Woge bedingungsloser Liebe mich überrollt. Niemals würde ich spüren, wie sich winzige Finger um meine Finger schlingen, oder mein Gesicht in einen weichen Haarflaum versenken, der nach Frühling riecht, und wissen, dass dieses kleine eigenständige Leben einmal ein Teil von mir war und immer ein Teil von mir sein wird. Tatsächlich wünsche ich mir schlaflose Nächte und klebrige Essensreste auf dem FuÃboden und Berge von Socken, T-Shirts und Unterhosen, die ich waschen muss. Und ich möchte einen Zwerg in den Schlaf singen und FuÃabdrücke aus Schlamm auf der Fensterbank hinterlassen, um meinem Kind weiszumachen, dass der Weihnachtsmann auf diesem Weg hereingekommen ist. Ich möchte frühmorgens geweckt werden und dabei zuschauen, wie der Weihnachtsstrumpf auf meinem Bett ausgeleert wird. Und ich möchte das ungläubige Staunen im Gesicht meines Kindes sehen, wenn es zum ersten Mal eine Seifenblase, ein frisch geschlüpftes Küken oder eben ein Manatee erblickt.
Aber nun bleibt mir keine Zeit mehr für trübe Gedanken. Ich kann bereits den Flugplatz von Varna sehen, eine Ansammlung weià gestrichener Bürogebäude und Hallen am Rand einer groÃen Grünfläche. Ich gehe auf eintausend Fuà runter, greife nach dem Mikro und bitte den Tower um Landeerlaubnis. Ich erkenne Gus Hadfields Stimme wieder. Er sitzt schon im Tower von Varna, so lange ich denken kann. Gus begrüÃt mich wie üblich unter Missachtung der korrekten Fachsprache.
»Bist duâs, Sarah? Hab ich mir doch gedacht. Okay, dann komm mal runter, Herzchen.«
Auf dem grasbewachsenen Vorfeld vor den Bürogebäuden parkt noch eine weitere Cessna in den blau-weiÃen Firmenfarben von Varna Aviation. Während ich darauf zurolle, taucht Ritchie, der Bruder meiner Mutter, hinter der Nase der Cessna auf. Ein Mädchen folgt ihm wie ein eifriges Hündchen, eine Schülerin auf dem Wege zu ihrer ersten Flugstunde oder vielleicht zu einem Schnupperflug, denn Ritchie macht mit ihr einen AuÃencheck und prüft die Flugtauglichkeit der Cessna. Sie ist vielleicht achtzehn oder neunzehn. So jung noch! Sie hat jedenfalls noch viel Zeit zum Kinderkriegen.
Ritchie, in leichter schwarzer Hose und weiÃem Hemd mit Kapitänsstreifen auf den Schulterklappen, hebt lässig eine Hand, um mich zu grüÃen. Die meisten Piloten hier kleiden sich lieber leger in Jeans oder Shorts und T-Shirt, doch Grandma Nancy nimmt es mit dem Protokoll genau. Ein Pilot solle wie ein Pilot aussehen und nicht wie ein Gammler, der gerade vom Strand kommt, sagt sie. Das vermittle den Leuten Vertrauen. Obwohl Ritchie inzwischen angeblich die Firma führt, ist ihm schon lange klar, dass Diskussionen mit seiner Mutter nur Zeit- und Energieverschwendung sind. Bei einer Krawatte zieht er allerdings die Grenze.
Ich winke zurück, doch Ritchie schaut schon gar nicht mehr herüber. Er versetzt dem Propeller einen Schwung und sagt etwas zu dem Mädchen, das ihn aufmerksam und offensichtlich bewundernd anstarrt. Ich muss grinsen. Komisch, dass die jungen Flugschülerinnen immer so für Ritchie schwärmen, obwohl er ihr Vater, ja fast ihr GroÃvater sein könnte. Doch man muss schon sagen, dass er eine ziemlich schnittige Figur abgibt; er wirkt immer noch jugendlich, obwohl er seinen fünfzigsten
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