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Ein kleines Stück vom Himmel nur

Ein kleines Stück vom Himmel nur

Titel: Ein kleines Stück vom Himmel nur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelia Carr
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Flugzeug langsam an Stabilität verliert.
    Nancy konnte sich noch sehr gut an die Flugstunden erinnern, in denen sie das Überziehen üben musste, an das unheimliche Gefühl, eine Katastrophe herauszufordern, obwohl sie genau wusste, dass sie hoch genug war, um die Maschine problemlos ausleiten und abfangen zu können. Sie erinnerte sich an diese luftleere Stille, in der sie die Flügel mit dem Seitenruder gerade hielt und das Steuerhorn immer weiter zurückzog, wohl wissend, dass es jeden Augenblick losgehen konnte. Wenn es so weit ist, fällt die Fahrtanzeige ab; die Steuerung wird schwergängig und reaktionslos; die Zelle um einen herum beginnt zu zittern, der heisere Ton der Überzieh-Warnung durchbricht die Stille. Und dann passiert es: Die Nase kippt ab, und man fällt; man spürt, wie der Magen absackt, und weiß, dass man jetzt nicht mehr fliegt.
    Dann muss man schnell reagieren, das Höhenruder nachlassen und die Nase weiter senken. Wenn man dabei Gas gibt, verliert man vielleicht bloß fünfzig Fuß, ohne Motorhilfe können es leicht zweihundert Fuß sein. Und dann, wie durch ein Wunder, fliegt man wieder.
    Als Nancy jetzt Squadron Leader James Mackenzie anschaute, der mit diesem leicht amüsierten Lächeln auf den Lippen im Besprechungsraum saß und sie herausfordernd anblickte, verspürte sie genau das gleiche Gefühl wie im Moment des Strömungsabrisses, wenn die Welt um einen herum aus den Fugen gerät und der freie Fall beginnt.
    Sie blickte ihn an und fühlte sich, als stünde sie am Rand eines Abgrunds. Ihr Herz schien stehen geblieben zu sein, und Adrenalin schoss durch ihre Adern. All ihre Sinne schrien ihr zu, dass sie nun etwas tun müsse oder sie sei für immer verloren. Doch wenn sie ein Flugzeug überzog, wusste sie genau, was sie zu tun hatte, um es wieder unter Kontrolle zu bringen, jetzt dagegen arbeitete ihr Gehirn überhaupt nicht mehr.
    Â»Gut. Dann sehe ich Sie morgen wieder«, sagte er.
    Nancy nickte und verließ das Besprechungszimmer, so schnell sie ihre Beine tragen wollten. Im Unterrichtsraum hatte sie noch eine Stunde Morsecode vor sich, aber die Striche und Punkte verwandelten sich vor ihren Augen in die Fältchen, die seine nussbraunen Augen umgaben, und verbanden sich zu der violetten Narbe auf seinem gebräunten Handrücken. Sie presste die Zähne aufeinander und ermahnte sich zur Konzentration, doch es war sinnlos. Nancy wurde bewusst, dass sie sich noch mehr zum Narren zu machen drohte, als sie es ohnehin schon getan hatte.
    Natürlich würde sie ihre Gefühle auf keinen Fall gegenüber Kay oder Miriam zugeben. Nicht einmal, falls Kay den neuen Lehrer noch mal als »tollen Kerl« bezeichnete. Unter keinen Umständen würde sie ihr zustimmen. Dieser Mann ging ihr viel zu nah, und ihre Gefühle waren viel zu tief, als dass sie Kays oberflächlicher Charakterisierung zustimmen könnte. Nancy war schon vielen »tollen Kerlen« begegnet, aber noch nie hatte sie sich so gefühlt wie jetzt.
    Â»Du hattest verdammt viel Glück, dass er dich so einfach hat davonkommen lassen«, meinte Miriam. Sie tupfte die letzten Krümel ihres Käsesandwiches mit der Fingerspitze auf und leckte sie ab. »Jetzt musst du dich besonders anstrengen, um bei ihm einen guten Eindruck zu hinterlassen.«
    Â»Das weiß ich selbst!«, erwiderte Nancy, nicht sicher, ob sie damit das Fliegen meinte oder etwas ganz anderes.
    Es gestaltete sich schwieriger als erwartet. So wild entschlossen sie auch war, James Mackenzie – oder Mac, wie er lieber genannt wurde – zu beeindrucken, schien es doch so, als ob die meisten Fähigkeiten, die ihr sonst so leicht fielen wie das Atmen, sie auf einmal verließen. Jedenfalls kam es ihr so vor, obwohl sie sich zu trösten versuchte, dass sie nicht ganz so schlecht sein konnte, wie sie befürchtete, denn sonst hätte er schon längst aufgegeben und sie nach Hause geschickt. Doch sie flog nicht so gut wie sonst, und das ärgerte sie und machte sie gereizt. Je mehr sie sich bemühte, alles richtig zu machen, desto ungeschickter stellte sie sich an, und wenn sie beim Fliegen neue Kurse ausrechnen sollte, hatte sie das Gefühl, ihr Kopf sei mit Watte gefüllt. Und die ganze Zeit über spürte sie Macs kritischen Blick, der jede ihrer Handbewegungen beurteilte. Noch mehr verwirrte sie jedoch sein männlicher Geruch, die

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