Ein Knödel zu viel: Kriminalroman (German Edition)
gefährlich sind grüne Kartoffeln. Schon ab 25 Milligramm wirkt das Gift, 400 Milligramm können für einen Menschen tödlich sein.
»Gift in Kartoffeln? Dann sind sie lebensgefährlich? Mein Gott, da habe ich all die Jahre ja verdammtes Glück gehabt.« Das war kein Scherz. Robert Mayr meinte es ernst, denn er war beim Essen sehr eigen. Er aß längst nicht alles, sehr zum Ärger von Martina. Neben Käse aß der Kommissar am liebsten Kartoffeln. Und das in allen Variationen. Selbstredend ganz besonders aber die Knödel seiner Freundin. »Warum sterben dann nicht mehr Menschen an Kartoffelvergiftung?« Aufgeschreckt durch die potenzielle Bedrohung seines Lebens, stand Mayr auf und sah zum Fenster hinaus. Draußen fuhr langsam ein Traktorgespann mit Mist vorbei.
Schüssler konnte den aufgeregten Polizeibeamten beruhigen, der nun ungeduldig mit dem Handy am Ohr durch das Zimmer wanderte. Das meiste Gift werde beim Kochen ausgewaschen. Allerdings sollte man den Sud nicht trinken und auch nicht den Saft gepresster Kartoffeln.
»Was heißt das nun für meinen Fall? Büschgens wurde mit Kartoffeln umgebracht? Wie soll das gehen, und wie wirkt dieses Solanin? Und außerdem, wer macht sich die Mühe, Büschgens danach noch aufzuhängen wie einen ausgebürsteten Anzug?« Mayr setzte sich wieder aufs Bett. »Aha, es könnten also auch Tomaten gewesen sein. Aber eher unwahrscheinlich, da Sie davon keine Reste gefunden haben. Hm.« Wie ein gelehriger Schüler repetierte Mayr die Anmerkungen des Mediziners.
Der Kommissar sah sich suchend um. Seine Hose lag jenseits des Bettes auf dem Sessel unter dem Fenster. »Wie? Ach. Das Übliche? Übelkeit, Erbrechen, Angstzustände? Durchfall. So, so.« Er beugte sich vor und angelte nach einem Hosenbein. »Furchtbar. Ein ekelhafter Tod. Wie wahr.«
Robert Mayr bedankte sich und legte auf.
Am anderen Ende der Leitung starrte der Rechtsmediziner irritiert auf den Hörer. Verstehe einer die Lebenden.
Robert Mayr murmelte der hübschen Moderatorin zu: Erst vergiftet und dann gehenkt. Sie sah ernst zurück. Dann kam das Wetter.
Dr. Heribert Schüssler konnte ihm vorerst nicht mehr an Ergebnissen und Informationen liefern. Weitergehende Analysen waren noch nicht abgeschlossen. Das Übliche. Es würde noch ein paar Tage dauern, bis er Endgültiges sagen konnte.
Solanin. Kartoffeln. Ernst Büschgens musste etwas gegessen haben, das aus Kartoffeln zubereitet wurde. Robert Mayr runzelte die Stirn. Nach seinen bisherigen Recherchen war Büschgens bereits frühmorgens in Mönchengladbach Richtung Moosbach aufgebrochen und hatte zu Hause wie üblich nur eine Tasse Kaffee getrunken. Das hatte zumindest seine Freundin angegeben. Der Mageninhalt konnte also nur von einem Zwischenstopp stammen beziehungsweise vom Abendessen im Gasthof Zum Kreuz.
Kartoffeln! Robert Mayr wusste endlich, was die ganze Zeit im Dunkel seines Unterbewussten gearbeitet hatte: Knödel – und Schupfnudeln. Er schlug sich an die Stirn und nickte der Moderatorin zu, die aus irgendeinem Grund, den er verpasst hatte, jetzt ganz nah war. Zu viel Schminke, dachte Robert Mayr. Schade.
Natürlich, Schupfnudeln und Knödel! Martin Mader hatte erzählt, dass Schupfnudeln Büschgens’ Lieblingsgericht gewesen waren. Dieser Lederhosen-Wirt wurde ihm zunehmend suspekt. Und die Moderatorin. Mit Bedauern im Blick und einem kräftigen Druck auf die Aus-Taste der Fernbedienung verabschiedete er sich von der jungen Journalistin, die mitten in einer längeren Ansage aus seinem Fernseher verschwand und nur eine dunkle leere Fläche hinterließ.
»Hallo, Herr Mader?« Robert Mayr klopfte an die offen stehende Tür zur Küche.
Es blieb still. Auf den ersten Blick eine ganz normale Gasthofküche: blank geputzte Kochtöpfe, Schöpfkellen, die an der Wand hingen. Regale mit Gewürzen. Der mehrflammige Herd.
Der Kriminalhauptkommissar versuchte es noch einmal. »Herr Mader? Sind Sie da?« Er bekam immer noch keine Antwort. Als er sich umdrehte, stand vor ihm ein junger Mann in karierter Hose und weißer Jacke.
»Mein Vater ist nicht da. Ich bin Gerhard Mader. Kann ich Ihnen vielleicht helfen?«
»Ich muss ihn dringend sprechen. Wo kann ich ihn finden?« Mayr zeigte dem Sohn seinen Dienstausweis.
»Ich weiß schon, wer Sie sind. Mein Vater ist in der Früh nach Kempten zum Großmarkt gefahren. Er müsste eigentlich längst zurück sein. Ich weiß auch nicht, wo er steckt. Sie werden sich gedulden müssen.«
»Sind Sie der
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