Ein Knödel zu viel: Kriminalroman (German Edition)
Luxemburger Tresor lag noch ein Rest von dem Solanin, das ihr damals ein liebestoller Laborleiter besorgt hatte. Damals, nach der Sache mit dem Alten. Sie hatte sich an ihm rächen wollen. Da war ihr der Chemiker gerade recht gekommen. Es war so leicht gewesen, sich das Zeug zu beschaffen, nachdem er es ihr einmal hatte besorgen dürfen. Ein Vater von drei Kindern, der seine Finger nicht hatte bei sich lassen können. Er hatte ihr das Zeug regelrecht aufgedrängt. Sehr viel später war ihr klar geworden, dass er vielleicht selbst eine Rechnung mit dem Alten offen haben mochte. Und sie wäre die Dumme gewesen, die seinen Hass auf den Vorgesetzten befriedigt hätte, ohne es zu wissen.
Jedenfalls hatte sie es nicht fertiggebracht, ihren Chef zu töten. Voller Skrupel war sie gewesen. Und voller Angst, dass sie mit ihrem One-Night-Stand einen Mitwisser haben könnte. Ein naives dummes Ding war sie gewesen!
Wie auch immer, für das Solanin hatte sie schließlich doch noch Verwendung gefunden. Und auch der Rest würde reichen, um Bongarts für immer abzuschütteln. Nur gut, dass sie Wackerzapp damals nicht die ganze Menge überlassen hatte.
Sie drehte sich unter der Dusche. Ihre Haut fühlte sich bereits weich an. Büschgens hatte kein Mitleid verdient. Er hatte ihr im Weg gestanden. Leuchtenberg hatte alles versucht, um ihn in Schach zu halten. Er hatte es mit Übernahmeangeboten versucht, hatte sogar eine Aufteilung des lukrativen Kuchens Landesimmobilien vorgeschlagen. Aber Büschgens hatte sich um Leuchtenbergs Angebote wenig geschert, hatte auch die als außergewöhnlich und überaus kreativ wie auch diskret angekündigten Verabredungen im Allgäu arrogant als »uninteressant« abgetan. Selbst die Versuche, über Büschgens’ Motorradklub einen Hebel zu finden, um ihn unter Druck setzen zu können, waren gescheitert.
Der Immobilienmakler war zu klug gewesen, um in eine wie auch immer aufgestellte Falle zu tappen. Seine Liebe zu Marie Schneiders war offenbar so groß, dass er jeder Verlockung widerstand. Gelegenheit dazu hatte es im Umfeld der Motorradtreffen jedenfalls genug gegeben. Selbst Wackerzapps Versuche, ihn mit exklusiven Maschinen zu günstigen Preisen zu locken, hatte Büschgens ins Nichts laufen lassen. Entweder war er frei von Neugier auf Verbotenes, oder er war gerissener als alle andere.
In langen Diskussionen hatte sie mit Leuchtenberg nach Möglichkeiten und Wegen gesucht, um Büschgens vom Markt zu drängen. Aber je mehr sie sich mühten, umso stärker schien Büschgens zu werden. Als er immer mehr lukrative Geschäfte machte, die ihnen entgingen, umso stärker wurde der Hass auf diesen augenscheinlich so unbestechlichen, untadeligen und erfolgreichen Geschäftsmann, dass sie an einem Abend nach einigen Gläsern Rotwein darüber spekuliert hatten, was denn passieren würde, wenn Büschgens auf immer im Allgäu verloren ginge?
Damals hatten sie bei einem Essen mit Vertretern des Bauministeriums erfahren, dass Ernst Büschgens neben seinen Geschäften in Nordrhein-Westfalen ganz groß in das Geschäft mit Wellnessressorts einsteigen wollte und sich schon einmal ein Bauernhaus gekauft hatte, das sein Rückzugsort für den Ruhestand, zunächst aber seine bayerische Zentrale werden sollte.
Leuchtenberg hatte dann die Variante Wackerzapp ins Spiel gebracht. Und sie war, ohne zu zögern, darauf eingestiegen. Sie hatte Leuchtenbergs Pläne als verlockendes, weil kalkulierbares Spiel mit dem Feuer betrachtet. Ein Spiel, das nur sie würden gewinnen können. Den Mord an Büschgens hatte sie für sich selbst leichten Herzens als Risiko beim Tauchen im Haifischbecken abgespeichert. Dass in jener Nacht über dem Rottachsee ein Gewitter niedergegangen war, hatte sie lange als glückliche Fügung gewertet.
Denn dass Wackerzapp völlig aus dem Ruder laufen würde, bei seinem Auftrag, Samantha und Julia zum Schweigen zu bewegen, hatte sie nicht ahnen können.
In Wahrheit hatte sie für Wackerzapp Bewunderung in einem Maße empfunden, das sie sich bis dahin in der Begegnung mit anderen Menschen niemals zugestanden hatte. Das hatte nicht zuletzt an seiner Kaltschnäuzigkeit gelegen, mit der er Büschgens das Solanin verabreicht hatte. In das Bauernhaus einzudringen, die vorgefundenen Lebensmittel zu präparieren hatte ihr Respekt und Bewunderung abgenötigt. Dass Wackerzapp aus Lust am Töten mordete, war ihr nicht in den Sinn gekommen. Sie hatte sich, wenn auch nur für kurze Zeit, in seinen Armen geborgen
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