Ein König für Deutschland
Fernsehschirmen«, begann er stattdessen.
Und musste innehalten. Durchatmen.
»Es hat um die letzte Wahl heftige Kontroversen gegeben, die immer noch andauern, weil die Zweifel daran, dass die verwendeten Wahlgeräte so funktioniert haben, wie sie sollten, bis heute nicht ausgeräumt werden konnten. Ich glaube, man kann sagen, dass das allgemein vorherrschende Gefühl das von Unsicherheit ist, das Gefühl, dass es nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Das aber«, sagte Simon, »ist keine gute Grundlage für eine Neuordnung der Dinge, zumal, wenn sie so grundlegender Natur sein soll.«
Ob wohl alles wie besprochen geklappt hatte? Ob man ihn da draußen tatsächlich hörte? Immerhin, hier drinnen hörte man ihn. Das gab Anlass zu Hoffnung.
»Ich bin nicht in der Position, etwas zu verlangen, zu fordern oder gar anzuordnen«, fuhr Simon fort. »Aber ich kann etwas anregen. Ich kann einen Vorschlag machen, und ich schlage ernsthaft vor, die Unsicherheit ein für alle Mal zu beseitigen, indem so bald wie möglich eine Abstimmung durchgeführt wird, ob die deutsche Bevölkerung die Einführung einer Monarchie wünscht oder nicht. Das ist eine einfache Frage, mit Ja oder Nein zu beantworten. Diese Abstimmung bedarf keiner großen Vorbereitung, keines Aufwands, keines Wahlkampfs. Und vor allem«, fügte er hinzu, »bedarf sie keiner Wahlgeräte. Da gerade deren Funktion in Zweifel steht, rege ich hiermit an, sie in dieser Abstimmung nicht zu verwenden, sondern in althergebrachter Weise ausschließlich Papier und Schreibstift einzusetzen.«
Unruhe wurde hörbar. Rufe der Zustimmung, aber auch Murren, Pfeifen, Buhlaute.
Simon hob die Arme, deutete zum Altar, wo immer noch die Männer mit dem Reichsapfel und dem Zepter standen, woimmer noch die Krone auf dem roten Samtkissen wartete. »Solange sich nicht eine klare Mehrheit für mich als König ausgesprochen hat, werde ich mir die Krone nicht aufsetzen lassen. Deswegen halten wir die Zeremonie an dieser Stelle an. Ich danke Ihnen.«
94 Der Eid ist in §56 des Grundgesetzes definiert und lautet: »Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.« Die religiöse Beteuerung am Schluss kann auch weggelassen werden.
95 Am 2. Juni 1953
96 Königskröner
KAPITEL 50
E s gab ein längeres Hin und Her, aber letztendlich erklärte sich die amtierende Regierung bereit, dem Wunsch ihres designierten Königs zu entsprechen und sich einer zweiten Abstimmung zu stellen.
Stimmzettel wurden gedruckt, ein Termin angesetzt, Wahlbenachrichtigungen verschickt. Diesmal kamen Wahlbeobachter aus aller Welt angereist, sogar aus afrikanischen Staaten, die selber nur auf ein paar Jahre demokratischer Geschichte zurückblicken konnten. Manch einer betrachtete das als Affront, aber andererseits, das musste man zugeben, hatte man sich das letzten Endes selber zuzuschreiben.
Vor allem beobachteten diesmal mehr Wähler als je zuvor die Wahl, an der sie teilnahmen. In fast allen Städten bildeten sich Gruppen, Komitees, Initiativen mit dem Ziel, die Abstimmung zu überwachen. Schon bei der Öffnung der Wahllokale warteten Leute, die genau hinschauten, ob es mit den Urnen seine Richtigkeit hatte, ob diese ordnungsgemäß versiegelt waren und so weiter. Nicht wenige verbrachten den ganzen Tag im Wahllokal, berichteten per Handykamera, Laptop und Blog vom Fortgang der Dinge, tauschten sich über E-Mail oder SMS mit anderen aus und teilten mitgebrachten Kaffee und Sandwiches mit Gleichgesinnten.
»Endlich ist mal was los!«, freute sich eine als Wahlhelferin dienstverpflichtete Mitarbeiterin eines Meldeamtes.
Die Herausgabe der Stimmzettel wurde mit Argusaugen verfolgt. Nicht selten sahen Dutzende Augenpaare zu, wie der Wahlhelfer den entsprechenden Eintrag im Wählerverzeichnis abhakte und wie der betreffende Wahlberechtigte mit Stimmzettel und Wahlumschlag hinter dem Vorhang der Kabine verschwand.
Was für eine Erleichterung, hier allein zu sein! Allein mit sich, einem Stück Papier und einem Bleistift, der an einer Schnur hing. Nach all den Diskussionen, die man geführt und in denen man alles Mögliche behauptet, gefordert oder bestritten hatte – manchmal vielleicht nur, um recht zu behalten oder um jemanden zu ärgern –, war dies nun die
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