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Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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nachzuvollziehen.
    Bei den grundlegenden Operationen, die ein Prozessorausführen kann, handelt es sich um Anweisungen wie Lade den Inhalt der Speicherstelle X ins Register A oder Multipliziere das Register A mit 2 und dergleichen: Man konnte relativ einfach nachvollziehen, was passierte – das Schwierige war, herauszufinden, was das jeweils bedeuten sollte. Das war eine Herausforderung an Kombinationsvermögen und Intuition; ungefähr so, als gelte es, den ganzen Tag lang Sudokus zu lösen.
    So rätselte Vincent ewig an einer komplizierten Kette von Lade-, Schiebe- und Schreibbefehlen herum. Erst nach geschlagenen zwei Tagen – inklusive der Nächte, von drei Stunden betäubten Erschöpfungsschlafes abgesehen – ging ihm auf, dass all diese Befehle nichts weiter taten, als eine einzige Textzeile auf dem Display auszugeben!
    Zantini kam ihn ab und zu besuchen. Dann saß er neben ihm auf einem umgedrehten Stuhl, die Arme auf die Lehne gestützt, und ließ sich von Vincent erklären, was er machte. Was ein EPROM eigentlich sei, wollte er einmal wissen.
    »Das ist die Abkürzung für erasable programmable read only memory «, erklärte Vincent und hob einen EPROM hoch. »Dieser schwarze Käfer hier. Ein nichtflüchtiger Speicher. Nichtflüchtig ist klar? Ein normaler Speicher verliert seinen Inhalt, sobald ihm der Strom abgedreht wird, diese Art Speicher nicht. Man beschreibt ihn mithilfe eines sogenannten EPROM-Brenners.« Er zeigte auf seinen alten Brenner, der aussah wie ein zu groß geratener Taschenrechner mit einem Stecksockel. Das Ding war so alt, dass es noch über die Druckerschnittstelle an den PC angeschlossen werden musste. Aber es funktionierte. »Wenn man den Speicherinhalt löschen will, bestrahlt man dieses Fensterchen hier« – er zeigte auf die winzige Scheibe aus Quarzglas, die in das schwarze Kunststoffgehäuse eingelassen war – »mit ultraviolettem Licht.«
    Zantini hörte aufmerksam zu, nickte hin und wieder, ließ sich jedoch nicht anmerken, ob er überhaupt ein Wort verstand.
    »Sie müssen mir aber auch mal etwas verraten«, sagte Vincent bei einer dieser Gelegenheiten. »Ich wüsste gerne, wie Sie das damals im El Rancho gemacht haben. Wie Sie den Fingerhut unter der Serviette finden konnten.«
    Zantini hob nur eine seiner ausdrucksvollen Augenbrauen. »Ein Zauberer verrät seine Tricks nicht.«
    »Und warum sollte ein Programmierer dann seine Tricks verraten?«
    Keine Antwort. Man konnte Zantini ansehen, wie es in ihm arbeitete. Wurde Zauberkünstlern der Ehrenkodex mit dem Brenneisen eintätowiert? Kam er vor ein Zaubergericht, wenn er dagegen verstieß? Würde man ihn … Nun, was mochte die Strafe für abtrünnige Zauberer sein? Vielleicht ließ man sie auf magische Weise verschwinden, sodass sie nie wieder auftauchten?
    »Okay«, gab Zantini nach. »Den Trick kann man sowieso in Büchern nachlesen. Im Grunde ist er ganz einfach. Entscheidend ist, sich nicht ablenken zu lassen. Deswegen die Augenbinde.«
    »Aber Sie hatten doch jemanden im Publikum, der Ihnen signalisiert hat, wo der Fingerhut versteckt ist, oder?«
    »Ja, hatte ich«, sagte Zantini. »Der Mann, der mich führte.«
    Vincent spürte seine Augen groß werden. »Ramesh? Ramesh war Ihr Komplize?«
    »Ohne dass er es wusste.«
    »Was?«
    »Ich habe ein gewisses Brimborium veranstaltet von wegen, der Letzte, der den betreffenden Gegenstand berührt hat, möge zu mir treten«, erläuterte der Zauberer. »Das diente nur dazu, den Aberglauben anzustacheln, der in jedem Menschen steckt. Um jemanden zu haben, der wusste, wo der Fingerhut versteckt war, und der wenigstens ein kleines bisschen glaubte, dass ich womöglich doch über magische Kräfte verfüge.« Zantini hob die Hand. »Wenn Sie so jemanden anfassen und sich mit verbundenen Augen von ihm führen lassen, spüren Sie jedes Zögern, jedes Innehalten, jede Anspannung. Unweigerlich wird der Betreffende sich ein wenig verkrampfen, sobald ich ihn in die richtige Richtung dirigiere, erst recht, wenn ich ihm am richtigen Tisch befehle, stehenzubleiben … Mit der Hand auf seiner Schulter können Sie die Gedanken des Betreffenden lesen. Mit ein wenig Übung zumindest.«
    »Das heißt, Ramesh war nicht bestochen oder so?«
    »Er hat nicht geahnt, dass sein Körper mir alles verrät, was ich wissen musste.«
    Vincent war skeptisch. »Das klingt irgendwie zu einfach, ehrlich gesagt.«
    »Mag sein«, meinte Zantini, »aber die meisten Zaubertricks sind entweder von geradezu

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