Ein König für Deutschland
Herz klopfen. Der Zauberer sah ihn unverwandt an, sein Blick hatte etwas Lauerndes, Wissendes: Als wisse er haargenau, dass das die Frage war, der Vincent nicht widerstehen konnte.
Er konnte es auch diesmal nicht.
»Natürlich«, sagte er.
***
So begann Vincents Leben als jemand, der von zwei Dienern umsorgt wurde.
Daran konnte man sich gewöhnen, stellte er fest.
Die beiden mochten bizarr aussehen, aber sie hatten es drauf, die lästigen Notwendigkeiten des Alltags verschwinden zu lassen. Wenn Vincent morgens aufwachte, standen Bagels und Donuts bereit und eine Kanne frisch gebrühten Kaffees, die auch tagsüber nie leer zu werden schien. Im Kühlschrank lagerten unerschöpfliche Vorräte an gut gekühlter Cola und Dosenbier. Mittags tauchte wie von Zauberhand ein Tablett mit einem Mittagessen neben ihm am Arbeitstisch auf. Und dass es draußen zu dunkeln begann, erkannte Vincent daran, dass ihm ein Teller mit Sandwiches hingeschoben wurde.
Seine Klamotten brauchte er nur auszuziehen und fallen zu lassen, damit sie verschwanden, um gewaschen und gebügelt wieder aufzutauchen. Irgendwie hingen stets saubere Handtücher im Bad, ging das Klopapier nie aus und wuchs die Seife immer nach. Und wäre Vincent kein allein lebender Mann gewesen, wäre ihm darüber hinaus aufgefallen, dass sich kein Staub auf dem Boden sammelte, dass sich in der Küche keine Fettschicht mehr rings um den Herd bildete und im Bad Waschbecken und Dusche jeden Morgen sauber geputzt waren.
Allerdings hatte Dienerschaft auch ihre Nachteile.
Nicht einmal so sehr, weil die beiden sich nebenbei als Vincents Leibwächter verstanden, weder Besuch noch Post zu ihm ließen und ihn zweifellos auch daran gehindert hätten, alleine auszugehen. Nein, was ihn irritierte, und zwar extrem, war, dass ständig jemand da war oder zumindest da sein konnte . Er war es gewöhnt, die Klotür offen zu lassen und die Badtür sowieso; beides hätte er jetzt nicht einmal mehr unter Androhung von Waffengewalt fertig gebracht. Wenn er duschte, verriegelte er die Tür hinter sich, als gelte es, Staatsgeheimnisse zu schützen, und wenn seine Blase drückte, drehte er erst eine Runde durchs Haus, um sicher zu sein, dass niemand irgendwo zugange war: Nur in dem Fall lohnte es sich überhaupt, die Toilette aufzusuchen. Wenn er das Gefühl hatte, dass einer der beiden mithörte, ging gar nichts.
Es lag an Furry, erkannte er irgendwann. Diese Frau, die sich bewegte wie eine Sexbombe und die, wenn man nur ihre Silhouette sah, auch so aussah, irritierte ihn maßlos mit all dem Haar, das ihr an den unmöglichsten Stellen wuchs. Wenn sie angeschlichen kam und »Hier, Junge, iss mal was« sagte und ihm einen Teller mit Sandwiches oder mit aufgeschnittenem Obst hinschob, mit ihren dunkel behaarten Armen und Händen, die wie die eines Orang-Utans wirkten, so borstig, wie sie waren. Abends sah man, dass ihr Stoppeln ums Kinn herum standen, was ja wohl hieß, dass sie sich jeden Morgen rasieren musste, um ohne Vollbart zu sein. Gruselig.
Pictures war in Ordnung. Einmal zeigte er Vincent die Tätowierung, mit der alles angefangen hatte – ein simples Herz auf dem Oberarm, in dem Victoria stand. »Mann, war ich damals verliebt«, lachte er, und die schwarz-blauen Linien auf seinem Gesicht verzogen sich dabei zu wilden Kräuselmustern. Er konnte seine Brustmuskeln so zucken lassen, dass es aussah, als gerate das Schiff, das über seine Herzgegend segelte, in schweren Seegang, und er erzählte vom Tätowieren auf eine Art und Weise, dass man sich ohne so etwas regelrecht nackt fühlte.
Doch seine pelzige Freundin … Klar, es war unfair und ein Vorurteil und alles, aber Vincent ging ihr aus dem Weg, wo er konnte. Und versuchte, sich nicht vorzustellen, wie sie mit Bart aussehen mochte. Oder wenn sie duschte.
Oder wie es aussehen mochte, wenn sie pinkelte. Allein der Gedanke jagte Vincent eine Gänsehaut über den ganzen Körper.
Allerdings – und das machte die Situation erträglich – kamen ihm derlei Gedanken relativ selten. Er hatte seine Arbeit, und die beanspruchte ihn zu fast hundert Prozent, saugte ihn förmlich auf.
Anders als bei dem Prototypen für Frank Hill damals legte er es diesmal darauf an, das Programm des Herstellers tatsächlich zu entschlüsseln. Er las den Inhalt der System-EPROMs aus, überspielte den binären Code auf seinen Computer und begann mithilfe eines professionellen Disassemblers, die Funktionsweise der Software Befehl für Befehl
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