Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
Prototyp diesmal, sondern das wirkliche Ding. Ein Programm, das wirken würde wie ein Computervirus. Nur dass es nicht irgendwelche Rechner befallen würde, um belanglosen Unsinn darauf anzustellen, sondern genau die Maschinen, mit denen die Führer der Welt ausgewählt wurden.
    Wobei er sich immer noch nicht sicher war, ob er mit dem, was er über die Manipulationen der letzten Präsidentenwahlen zu wissen glaubte, nicht nur einer kollektiven Hypnose erlegen war. Befand er, Vincent Wayne Merrit, sich wirklich und wahrhaftig in einer so einzigartigen Position? Waren hier tatsächlich die Schicksale ganzer Völker in seine Hände gelegt? Oder war das auch nur eine von Zantinis Illusionen? Das wollte er wissen.
    Und der einzige Weg, das herauszufinden, war, weiterzumachen.
    Eine Bewegung am Fenster erregte seine Aufmerksamkeit. Es war Pictures, der sich an den Fensterrahmen zu schaffen machte, etwas zu montieren schien. Der tätowierte Mann sah, dass Vincent ihn bemerkt hatte, und winkte ihm lächelnd zu.
    Vincent blinzelte irritiert. »Was zum Teufel macht er da?«
    »Wir sind um Ihre Sicherheit besorgt«, sagte Zantini. »Er schraubt die Fenster von außen zu, damit niemand unbemerkt eindringen kann.«
    »Und damit ich nicht einfach abhauen kann.«
    Zantini lächelte ebenso breit wie falsch. »Was Sie mir da an Heimtücke unterstellen … Warum sollten Sie abhauen? Das hier ist die Chance Ihres Lebens – und als aufrechter Amerikaner wissen Sie doch, dass man in dem Fall entschlossen zupackt, nicht wahr?« Er seufzte kummervoll. »Eine Eigenschaft, die man sich bei uns alten Europäern auch manchmal wünschen würde, aber wir ziehen es vor, zu jammern und den Staat für alles verantwortlich zu machen. Auf der anderen Seite nehmen wir Europäer aber auch alles brav hin, was der Staat uns zumutet, was für unser kleines Start-up-Unternehmen bedeutet, dass wir nicht befürchten müssen, dass die Wahlcomputer, wenn sie erst angeschafft und eingeführt sind, gleich wieder verschwinden.« Er beugte sich vor, faltete die Hände. »Trotzdem müssen wir vorsichtig sein. Was wir brauchen, ist ein Programm, das … Nun ja, sagen wir, das einen doppelten Boden hat.«
    Vincent verstand nur Bahnhof. »Einen doppelten Boden?«
    »Doppelte Böden sind ein wesentlicher Bestandteil der Zauberkunst, davon werden Sie ja schon einmal gehört haben.«
    »Und wie meinen Sie das bei Software?«, fragte Vincent. »Ich meine, gut, wie ein Zylinder mit doppeltem Boden funktioniert, das kann ich mir einigermaßen vorstellen, aber –«
    »Sie dürfen das nicht zu wörtlich nehmen, ich bitte Sie. Sie müssen den Sinn dahinter verstehen, den Daseinszweck. Ein doppelter Boden dient dazu, einen Gegenstand zu verbergen, den man im weiteren Verlauf des Kunststückes noch braucht. Und zwar in genau dem Moment, in dem man vorgibt, sich der Kontrolle des Publikums zu stellen. Verstehen Sie? Ich hebe meinenZylinder ab, halte ihn so, dass das Publikum in ihn hineinsehen kann, und es stellt fest: Da ist nichts. Tatsächlich ist da natürlich durchaus etwas, nämlich ein geschickt eingebauter zweiter Zylinder. Er ist so verkürzt, dass er aus der Ferne aussieht wie das Innere des Hutes, während er in Wahrheit einen Hohlraum lässt, ein Versteck, in dem eine Taube untergebracht ist. Im Fortgang öffne ich den doppelten Boden unauffällig, und im richtigen Moment – voilà – kann ich die Taube hervorzaubern.«
    »Die passt in einen Hut?«, zweifelte Vincent, obwohl er das Kunststück natürlich auch schon irgendwann einmal im Fernsehen gesehen hatte. Er hatte vermutet, dass das mit einem Filmtrick erreicht wurde.
    »Vögel sind viel kleiner, als man denkt; der eigentliche Körper unter all den Federn ist winzig. In einen ordentlichen Zauberzylinder passen leicht mehrere Vögel.« Zantini machte eine schwungvolle Bewegung mit der Hand nach oben. »Wenn sie davonflattern, wirken sie noch größer. Deswegen wirft man sie in die Luft.«
    Vincent nickte. »Okay. Verstanden. Also, der doppelte Boden verbirgt das eigentliche Geheimnis vor einer Prüfung …« Er hielt inne. Natürlich. Es lag auf der Hand, wie dieses Prinzip auf die Software der Wahlmaschine zu übertragen war: In dem Moment, in dem jemand die Maschine auf korrekte Funktionsweise überprüfen wollte, musste sie vortäuschen, unverändert zu sein.
    Wie auch immer sich das bewerkstelligen ließ.
    »Trauen Sie sich das zu?«, fragte Zantini.
    Trauen Sie sich das zu?
    Vincent sah hoch, spürte sein

Weitere Kostenlose Bücher