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Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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funktionieren.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Weil Sie nicht verstehen, wie Zauberkunst funktioniert. Wissen Sie, was das schwierigste Publikum überhaupt ist? Kinder. Kinder nehmen nichts als gegeben hin. Sie beobachten genau. Sie haben noch keine Konzepte im Kopf, wie die Welt sein soll, verstehen Sie? Sie sehen, was ist. Intelligente Leute dagegen …« Zantini machte eine wegwerfende Handbewegung. »Je intelligenter die Leute sind, desto leichter sind sie zu täuschen. Je gebildeter, je mehr Titel, je angesehener, desto eher fallen sie auf Illusionen herein. Und wissen Sie, warum? Weil sie nicht erwarten, getäuscht zu werden. Weil sie von sich glauben, sie seien zu klug, um auf Täuschungen hereinzufallen.«
    »Hmm«, machte Vincent.
    »Warten Sie, ich zeige es Ihnen.« Zantini sprang auf, verließ den Arbeitsraum und kehrte gleich darauf zurück, ein leeres Wasserglas in der Hand. Er blieb bei der Tür stehen, das Glas erhoben, und fragte: »Was sehen Sie hier, Vincent?«
    »Ein Glas«, sagte Vincent.
    »Sind Sie sicher? Schauen Sie genau hin.«
    Was sollte das werden? »Okay. Ich sehe ein leeres Wasserglas mit Längsrillen, das vermutlich Ihnen gehört, weil ich solche Gläser meines Wissens nicht besitze.«
    »Schon besser, aber schauen Sie noch genauer hin. Was sehen Sie?«
    Vincent verschränkte die Arme, fixierte das Glas in Zantinis Hand und überlegte. Was meinte der Zauberer? Ah! War das am Ende eine Übung in Logik? Vincent musste grinsen.
    »Okay – genau genommen sehe ich die Vorderseite von etwas, das aussieht wie ein Wasserglas.«
    Zantini sagte nichts, hob nur die freie Hand und führte sie in einer schwungvollen Bewegung von unten nach oben vor dem Glas vorbei, es dabei für einen Augenblick verdeckend.
    Und wie durch ein Wunder schwappte in dem Glas plötzlich Cola!
    »Ups!«, entfuhr es Vincent.
    »Verblüfft?« Der Zauberkünstler lächelte.
    Wie hatte er das gemacht? Vincents Gedanken rasten. Woherkam die Cola? Die Bewegung war zu schnell gewesen, als dass man in der Zeit das Glas irgendwie – aus einem verborgenen Reservoir beispielsweise – hätte füllen können … Wie um alles in der Welt hatte er das gemacht?
    »Nicht schlecht«, gab Vincent widerwillig zu.
    »Eine Idee, wie das geht?« Spöttisch fügte Zantini hinzu: »Bei Ihrer Intelligenz …?«
    Vincent schüttelte finster den Kopf. »Ich passe.«
    Der Zauberer nickte zufrieden, kam an den Arbeitstisch und stellte das Glas vor Vincent hin.
    Es war in der Mitte geteilt. In der einen Hälfte war Cola, die andere Hälfte war leer. Und die Trennwand war ein Spiegel, sodass man, wenn man das leere Glas von vorn sah, ein komplett leeres Glas zu sehen glaubte.
    »Sie haben es einfach … gedreht!«, stieß Vincent hervor.
    »Was gut geübt werden will, damit man die Bewegung nicht bemerkt«, erklärte Zantini. »Aber sehen Sie, was ich meine? Illusion. Darum dreht sich alles. Es anders aussehen lassen, als es ist.«
    Vincent merkte, wie seine Kinnlade nach unten klappte. In seinem Hirn blitzte und blinkte es auf einmal, Assemblercode raste seine Neuronen entlang und formte sich zu wundervollen, vielversprechenden Mustern.
    »Ich glaube«, flüsterte er, »es ist besser, Sie gehen jetzt.«
    Er legte die Hände auf die Tastatur und begann zu tippen. Wann Zantini schließlich tatsächlich ging, bekam er nicht mehr mit.
    Die Stimmen, die in den Flash-Speicher geschrieben worden waren, ließen sich von der Wahlmaschine aus nicht mehr ändern.
    Okay. Aber es spielte keine Rolle, wann diese Stimmen geschrieben wurden!
    Wenn die Wahl zu Ende war, wurde an dem Gerät ein ganz bestimmter Schlüssel in ein ganz bestimmtes Schloss gesteckt und in eine ganz bestimmte Position gedreht: Erst dann ließ sich das Stimmenmodul entnehmen – eine vernünftigeVorsichtsmaßnahme, weil so verhindert wurde, dass ein Wähler es im Verlauf des Wahltags einfach mitnahm.
    Der Kniff war, den Schwindel erst in diesem Moment durchzuführen. Sein Programm würde die Stimmen, die das Auswerteprogramm nachher zählen würde, erst im allerletzten Augenblick in den Flash-Speicher des Stimmenmoduls schreiben 41 .
    So würde es gehen.
    Ihm war, als fiele eine ungeheure Last von ihm ab. Sein Gesicht lächelte wie von selbst. Hackinator konnte sich als geschlagen betrachten. Der hatte den NEDAP auch geknackt, und als Erster, ja – aber er hatte das Ding nur ein paar Journalisten vorgeführt, und die hatte er nicht überzeugt. Vincents Code dagegen würde tatsächlich

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