Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
Vincent. Dass das völlig geraten war, musste er dem anderen ja nicht auf die Nase binden. Einfach erst mal »ja, kriegen wir hin« zu sagen, war eine bei Softwareprojekten absolut übliche Taktik. Meistens kriegte man es hin. Und wenn nicht … Nun, bei jedem IT-Projekt spielten so viele Komponenten eine Rolle – Hardware, Betriebssysteme, Software, Treiber und so weiter –, dass sich immer ein Schuldiger finden ließ, der sich nicht wehren konnte.
    »Gut«, sagte Zantini und nickte merklich erleichtert. »Denn tatsächlich habe ich meinen Geschäftspartnern einen solchen Wahlausgang schon angedroht. Sie glauben mir kein Wort, abersie werden das nicht vergessen haben, wenn es eintritt. Allerdings«, fügte er hinzu, »heißt das auch, es muss klappen, sonst ist das Geschäft geplatzt!«
    Vier Wochen. Das war knapp. Das war verdammt knapp, obwohl Vincent seinem Gefühl nach eigentlich so gut wie fertig war. Aber wenn man bei einem Softwareprojekt das Gefühl hat, man sei zu neunzig Prozent fertig, hat man meistens gerade erst mal die Halbzeit erreicht. Weil sich, je näher man der Endversion kommt, in der alles stimmen muss, jedes Komma, jeder Punkt, wirklich alles, immer noch neue Probleme auftun, an die man in dem Moment noch nicht denkt.
    In Vincents Fall war das Problem die Geschwindigkeit der Datenübertragung. Flash-Speicher arbeiteten mit einer bestimmten Geschwindigkeit, und die reichte nicht aus, um am Ende der Wahl alle Stimmen – es konnten ja Hunderte oder Tausende im Lauf des Tages zusammenkommen – so schnell auf das Stimmenmodul zu schreiben, dass dieser Vorgang abgeschlossen war, bis der betreffende Wahlhelfer das Plastikkästchen aus dem Schlitz zog. Das musste alles innerhalb weniger Sekunden vor sich gehen, und dazu waren die Chips zu langsam.
    Knifflig. Vincent starrte wenigstens eine Stunde reglos brütend auf den Schirm, ohne dass ihm bewusst geworden wäre, wie die Zeit verstrich. Es musste gehen. Es musste machbar sein.
    Und schließlich kam er darauf, wie.
    In den meisten Fällen, sagte er sich, war es am Ende doch nur eine Frage von wenigen Dutzend Stimmen hin oder her, die darüber entschieden, ob die eine Partei gewann oder die andere. Das hieß, im Prinzip konnte er im Verlauf des Tages ohne Weiteres schon jeweils so viele Stimmen auf die Flash-Chips draufschreiben, wie am Schluss mit Sicherheit nicht stören würden.
    Dazu musste er seinen Algorithmus allerdings wesentlich raffinierter anlegen.
    Das Verfahren, nach dem er die Anzahl dieser Stimmen ermittelte, wollte gut überlegt sein. Vincent verbrachte Tage und Nächte damit, alle möglichen Konstellationen durchzuspielen und dabei die Zusammenhänge herauszuarbeiten, die in Gestaltvon Formeln Bestandteil seines Programms werden mussten. Er schrieb sich eigens ein Programm, das nichts tat, als diese Formeln mit allen nur denkbaren Stimmenverteilungen zu testen, um ganz sicherzugehen.
    Manchmal, während dieses Programm vor sich hin ratterte und bunte Punkte auf den Bildschirm malte, fragte er sich, was zum Teufel er da eigentlich tat. Wieso machte er das? Abgesehen davon, dass es eine atemberaubende Herausforderung war, ein unglaublich faszinierendes Problem, und dass er es sein würde, der es bewältigte …
    »Ich bin der dunklen Seite der Macht verfallen«, sagte er seinem Spiegelbild irgendwann. Draußen war es dunkel, aber er hätte nicht sagen können, ob es früher Morgen oder später Abend war. Er bewegte seinen surrenden Rasierapparat und tat, als sei es ein Lichtschwert. »Am Ende stellt sich raus, dass Zantini mein Vater ist und gemeinsam mit mir über die Galaxis herrschen will.«
    Er studierte sein Gesicht, das blass war, weil er das Haus seit Wochen nicht mehr verlassen hatte, begutachtete die Ringe unter seinen Augen. Er sagte sich, dass er vermutlich dabei war, komplett durchzuknallen.
    Außerdem wusste er, wer sein richtiger Vater war. Auch wenn er ihm noch nie begegnet war.
    Sein Vater, dessen Wahlstimme er demnächst manipulieren würde. Wenn Zantinis Plan aufging. Verrückt, das alles.
    Noch konnte er es stoppen. Noch war das Programm nicht fertig. Alles, was er zu tun brauchte, war, es in dem Zustand zu belassen.
    Er konnte jederzeit aufhören. Das sagte er sich und kehrte zurück an die Arbeit, programmierte, konzipierte, codierte und testete und vergaß das Schlafen genauso wie das Essen. Dass ihm Furry eines Abends einen Gebäckteller mit einer brennenden Kerze hinstellte und Merry Christmas sagte: Er

Weitere Kostenlose Bücher