Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein König wird beseitigt

Ein König wird beseitigt

Titel: Ein König wird beseitigt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Häfner
Vom Netzwerk:
andere Unterhaltungen in kleinen Spielen z.B. Ring verstecken, Schneider leihe mir deine Scheere u. s.w. gesucht. Später hörten diese Unterhaltungen auf, doch kam es noch in neuerer Zeit vor, daß gelegentlich des Aufenthaltes Seiner Majestät auf dem Schachen Stallleute im dortigen, im türkischen Style eingerichteten Zimmer in orientalischer Weise sitzend, mit Seiner Majestät Sorbet trinken und aus türkischen Pfeifen rauchen mußten. Auch im sogen, beim Linderhof gelegenen Hundingshause kam Ähnliches vor, auf Fellen ruhend zechte das Personal aus großen Trinkhörnern Meth. Notorisch dagegen ist, daß Seine Majestät seit einer längeren Reihe von Jahren persönlich nicht mehr mit den Inhabern der höchsten Hofstellen, mit dem k. Staatsministerium verkehren, daß (Äußerungen von Heßelschwerdt und Welker vom 18. Mai/1) Allerhöchstdieselben in den letzten Jahren sogar den Kabinetssekretär nur vielleicht zweimal, den Hofsekretär aber gar nicht mehr sahen. Der ganze persönliche Verkehr Seiner Majestät beschränkt sich gegenwärtig auf wenige Personen von der untergeordneten Dienerschaft, und bildet die fast kindlich hilflose Lage, in die Allerhöchstdieselben durch diese Isolirung gerathen sind, (Lakaien und Friseure auf der Suche nach neuen Ministern und einem neuen Kabinetssekretär) einen wahrhaft tragischen Contrast zu dem vorhandenen in geradezu unnatürlicher Weise hinaufgeschraubten Bewußtsein (vergl. unter Anderem auch die Äußerung des Geheimsekretärs Thelemann) absoluter Machtfülle und Selbstherrlichkeit.
    Ob Seine Majestät an eigentlichen Hallucinationen leiden, läßt sich mit voller Sicherheit nicht behaupten. Es sprechen dafür die Wahrnehmungen Heßelschwerdts (Vernehmung vom 18.Mai Ziff. 14), das geringste Geräusch erschrecke Seine Majestät. Bei den Spaziergängen (bei Tag und bei Nacht) äußerten Allerhöchstdieselben oft, Sie hätten etwas gehört, Tritte, Worte und dann zu ihm, der nichts gehört habe, gesagt, Du hörst eben nicht gut, Heßelschwerdt. Nie hätten Sich freilich Seine Majestät darüber geäußert, welche Worte gehört worden seien. Auch in den Wohnräumen (dies wird auch vom Kammerdiener Welker bestätigt) hätten Seine Majestät nicht selten Geräusche wie von Tritten in den oberen Zimmern zu hören geglaubt und es hätte dann nachgesehen werden müssen, ob nicht Jemand da sei, was aber nie der Fall gewesen wäre. Wenn Seine Majestät allein im Zimmer sich befinden (Vernehmung Heßelschwerdts vom 3. Juni 1886 VI sowie Welkers) sprechen und lachen Allerhöchstdieselben oft laut, so daß man glauben könnte, es sei große muntere Gesellschaft in demselben versammelt.
    Wenigstens als auf Illusionen beruhend läßt sich das Verhalten Seiner Majestät deuten, von welchem Ministerialrath von Ziegler (Bogen 6 seiner Aufschreibungen) berichtet: «Nicht einmal, sondern oft und oft argwöhnten Seine Majestät, ich hätte Allerhöchstdieselben beim Vortrage mit einem unziemlichen, besonderen Blick angesehen. Gleich nach dem Vortrag erhielt ich den Befehl, mich deßhalb zu rechtfertigen und ich habe auf diese Rechtfertigungen unsägliche Zeit verwenden müßen.» Herr von Ziegler glaubt diesen «Argwohn» auf das Gefühl Seiner Majestät, einen absonderlichen Eindruck zu machen und auf das Bewußtsein einer anomalen Eigenthümlichkeit zurückführen zu müssen, was höchst wahrscheinlich zutreffend ist und mit dem Wesen der Illusion in Uebereinstimmung sich befindet. Wohl nur als Ausschweifungender Phantasie, allerdings höchst ungewöhnlichen, die Grenzen der Norm weit übersteigenden Grades, dürfte dagegen aufzufassen sein, was Stallmeister Hornig (vergl. seine Darlegungen Blatt 4) berichtet, Seine Majestät, bei einigen Graden Kälte und bei Schneegestöber im Freien essend, hätten sich ans Meergestade versetzt und von heißen Sonnenstrahlen beschienen geglaubt; auch das, was sich auf Blatt 15 vorfindet, allerdings auch einen Blick in die Tiefe eines Abgrundes werfen läßt, bei dem man schaudern müßte, wenn nicht das tiefste Mitleid mit dem Allerhöchsten Kranken wenigstens mildernd dazwischen träte: «Jetzt habe ich in Gedanken – Worte Seiner Majestät – der Königin eine große Wasserflasche am Kopfe zerschlagen, habe sie an den Zöpfen auf der Erde herumgeschleift, ihr die Brüste mit den Absätzen zerstampft» (vergl. auch ähnliche Mittheilungen des Herrn Ministerialrathes von Ziegler Bogen 14) oder: «jetzt war ich in Gedanken in der Gruft der

Weitere Kostenlose Bücher