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Ein König wird beseitigt

Ein König wird beseitigt

Titel: Ein König wird beseitigt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Häfner
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Theatinerkirche, habe den König Max aus dem Sarge herausgerissen und seinen Kopf beohrfeigt.» – In das Gebiet überwuchernder und die Schranken der Wirklichkeit und Möglichkeit ganz außer Acht lassender Phantasie würde denn auch, wie so vieles Andere, was an anderen Orten zur Besprechung kommen wird, der geäußerte lebhafte Wunsch Seiner Majestät zu verweisen sein (Hornig 4), in einem von Pfauen gezogenen Wagen durch die Luft zu fliegen, der dem Maschinenmeister Brand ertheilte Allerhöchste Auftrag, eine Flugmaschine zu Fahrten über den Alpsee bei Hohenschwangau anzufertigen, die Imitation der blauen Grotte auf Capri, um deren Blau zu studiren Stallmeister Hornig zweimal nach Capri geschickt wurde, der Mond im Schlafzimmer Seiner Majestät (vergl. von Ziegler Bogen 3), und dann wird dieser Abschnitt nur noch mit dem kurzen Hinweis auf die gelegentlichen Liebes-, Freundschafts- und Dankbarkeitsversicherungen Seiner Majestät, die schon der Form nach überschwänglich (vergl. die an Herrn Oberregierungsrath v. Müller und Herrn Ministerialrath von Ziegler gerichteten Briefe Seiner Majestät) ihren wesentlich phantastischen Ursprung durch ihre kurze Dauer und ihren jähen unmotivirten Abbruch kennzeichnen, seinen Abschluß finden können.
    Nachträglich übrigens kommt noch eine Mittheilung des Kammerlakaien Mayr zu den Akten, die kaum darüber einen Zweifel läßt, daß Seine Majestät wirklich an Hallucinationen leiden. «Alles ertrage ich zwar, aber das ist zum Verzweifeln, wenn der König sich etwas einbildet und sich davon absolut nicht abbringen läßt, wenn er z.B. so anfängt, Thue das Messer (oder irgend einen anderen Gegenstand) weg, und wenn ich sage, Majestät, es ist keines da, so examinirt er stundenlang ununterbrochen fort, «Es soll aber eins da sein, wo wäre es denn hingekommen, Du hast es weggethan, wo hast du es hingethan, warum hast du es weggethan, gleich legst Du es wieder hin.» (Vergl. Schreiben des k. Rathes Klug.) Das sei, fügt Mayr hinzu, zum Wahnsinnig werden. Unverständlich bleiben zunächst die Vorkommnisse, wie folgende: Einen Baum zwischen Berg und Ammerland nennen Seine Majestät den «heiligen Baum», Heßelschwerdt weiß nicht, weßhalb – so oft Allerhöchstdieselben an diesem Baum vorübergehen, fahren oder reiten, verbeugen Sie Sich tief davor. Ebenso wird ein Zaun bei Ammerland bei jedesmaligem Vorüber-Fahren, -Gehen oder -Reiten von Seiner Majestät gewissermaßen segnend begrüßt. Eine Säule am Eingange in Linderhof umarmen Seine Majestät der König, so oft Allerhöchstdieselben das Schloß auf längere Zeit verlassen; dasselbe geschieht bei der Rückkehr. Bei nur vorübergehendem Verlassen des Schlosses wird die Säule nur berührt (Vernehmung Heßelschwerdts vom 3. Juni 1886V. und Hornig Blatt 5). Aufschluß darüber könnten nur Seine Majestät Allerhöchst-Selbst geben. Wahrscheinlich liegen auch ihnen krankhafte Störungen der Sinnes- oder Denkthätigkeit zu Grunde.
    Ueber die motorischen Erregungen Seiner Majestät liegen folgende Aeußerungen vor. Seine Majestät seien nicht selten aufgeregt, machten sonderbare tanzende und hüpfende Bewegungen, führen stoßend und ziehend mit den Händen in die Kopf- und Barthaare, stellten Allerhöchst-Sich nicht selten vor den Spiegel, mit verschränkten Armen und das Gesicht verziehend. (Heßelschwerdt und Welker, Vernehmung vom 18. Mai 13.) Stundenlang dauernde Wuthausbrüche, die sich im Herumtoben im Zimmer, in einer tanzenden, wiegenden Bewegung, Schütteln der Hände in den Handgelenken äußerten, traten ein, auch ruhig sinnend auf einen Fleck sehend, konnten Seine Majestät stundenlang mit einer Haarlocke spielen oder das Haar mit einem Kamme in Unordnung bringen. (Hornig Blatt 4.) Nicht wiedergeben lassen sich die Imitationen dieser höchst ungewöhnlichen Bewegungen Seiner Majestät, die Marstallfourier Heßelschwerdt und Kammerdiener Welker, um sich verständlicher zu machen, vornahmen. Der Eindruck des Krankhaften derselben war für den mitunterzeichneten Obermedizinalrath v. Gudden ein sofort durchschlagender.
    Von der Gereiztheit Seiner Majestät, Allerhöchstdessen Zornes- und Wuthaus- brüchen war vorübergehend bereits wiederholt die Rede. Auf die an der Dienerschaft ausgeübten Gewaltthätigkeiten kommen die Unterzeichneten später zurück. – Auf normale Gemüthszustände und deren Aeußerungen trifft man nirgendwo in den Akten. Sie scheinen ganz und gar zu Grunde gegangen zu sein und Haß und

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