Ein König wird beseitigt
Befehle zur Abreise von Hohenschwangau wurden im letzten Augenblicke gegeben, (v. Ziegler Bogen 4.) Wochenlang schon vorher habe es Seine Majestät aufgeregt, wenn die Hofhaltung nach München verlegt werden sollte. In Seeshaupt oder Peißenberg seien Allerhöchstdieselben stundenlang unentschlossen und zögernd umhergegangen, bis der Zug bestiegen wurde, wären lieber wieder umgekehrt, München sei für Allerhöchstdieselben «eine Qual, ein Gefängniß», so die eigenen Worte Seiner Majestät. Dieselbe Aufregung pflegte den Hoftafeln, die deßhalb öfters auch aufgeschoben wurden, vorherzugehen. Es sei – wieder die eigenen Worte Seiner Majestät– Allerhöchstderselben zu Muthe, «als gehe es zum Schaffot.» Acht bis zehn Glas Champagner seien jedesmal zur Erleichterung vorher getrunken worden (vergl. Ziff. 15 und 16 in den Aeußerungen des k. Marstallfouriers Heßelschwerdt und k. Kammerdieners Welker). Mit der Annäherung des Eisenbahnzuges an die Stadt, sagt der k. Stallmeister Hornig (Blatt 5) steigerten sich die Zorn- und Wuthausbrüche Seiner Majestät und Ministerialrath von Ziegler spricht sich über die Hoftafeln folgendermaßen aus (Bogen 6): Wochenlang vor einer Tafel war von diesem «Unglück» die Rede und jeder Gegenstand des Vortrages trat vor diesem Thema weit in den Hintergrund. Die Vorträge verlängerten sich bis zu 3–4 Stunden, Seine Majestät konnten kein Ende finden, ergingen sich über die Tafelgäste in den aufgeregtesten, unglaublichsten Ausdrücken und sagten verschiedene Male die für den nächsten Tag bestimmte Tafel noch in der vorhergehenden Nacht ab, obwohl alle Vorbereitungen getroffen waren. War aber wirklich der Tag einer solchen Tafel gekommen, dann war die Stimmung bei dem Vortrag, welcher stets noch wenige Stunden vor der Tafel stattfand, die aufgeregteste, die man sich denken kann. Hastige Erkundigungen über den einen oder andern der Gäste, Hin- und Herlaufen im Zimmer, Verwünschungen aller Art, – dies war das stets wiederkehrende Bild. Die Eingeweihten sahen diesen Tafeln immer mit Angst entgegen, weil sie befürchten mußten, die Kraft der Selbstbeherrschung Seiner Majestät werde unterliegen. Seine Majestät befahlen auch, daß der Allerhöchste Platz an der Tafel mit Aufsätzen, Blumen u.s.w. so besetzt werde, daß man Allerhöchstdieselben so wenig als möglich sehen könne, auch wurde die lärmendste Musik absichtlich befohlen. Bei der Tafel selbst ließen Seine Majestät oft wilde Blicke umherschießen, stießen auch hier und da voll Wuth mit dem Säbel auf den Boden (vergl. auch die Mittheilungen des Herrn Ministerialraths von Ziegler über das Verhalten Seiner Majestät beim Besuche der Wagner’schen Aufführungen in Bayreuth im Jahre 1876 (Bogen 11), – die Mittheilungen desselben Berichterstatters über die Reise in die Schweiz mit dem Schauspieler Kainz (Bogen 12), sowie über das Benehmen Seiner Majestät gegenüber verschiedenen Höchsten und Allerhöchsten Herrschaften.
Die nicht selten auftretende Aufgeregtheit Seiner Majestät vor Empfängen vor und nach Besuchen, vor Hoftafeln, bestätigt auch Oberregierungsrath von Müller unter Ziffer 4 seiner Äußerung. In ganz besonderem Grade habe sie sich gezeigt bei den ersten allerunterthänigsten Vorträgen über das Wittelsbacher Jubiläum, welche Vorträge zumeist in den Monat Dezember 1879 fielen; die allerehrerbietigsten Vorstellungen, welche auf Theilnahme Seiner Majestät an dem Feste abzielten, bewirkten eine sich immer mehr steigernde Aufregung; es trat von Tag zu Tag klarer hervor, daß ein definitiv bejahender Entscheid nicht erfließen werde und daß das Offenhalten der Frage zu fortgesetzter Monate langer Beunruhigung Seiner Majestät führen würde, ohne die Hoffnung auf eine schließliche allergnädigste Anwohnung auch nur mit einiger Wahrscheinlichkeit zu eröffnen.
Die Folgen dieser krankhaften Verstimmungen und innerlichen Hemmungen wurden immer trüber und verhängnißvoller. Der k. Stallmeister Hornig, welcher seit dem Jahre 1867 in der Umgebung Seiner Majestät sich befindet, berichtet in seinen Aufzeichnungen (Blatt 1) daß anfangs Seine Majestät noch ein größeres Bedürfniß nach dem Verkehr mit Menschen fühlten. Es seien bei den nächtlichen Ritten, die meistens beim Mondscheine unternommen wurden, Feste im Walde veranstaltet worden,zu denen jüngere Bedienstete vom Marstallpersonale, auch Lakaien befohlen wurden. Unter Zelten wurde dann bis zum frühen Morgen gezecht und
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