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Ein König wird beseitigt

Ein König wird beseitigt

Titel: Ein König wird beseitigt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Häfner
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Gutachten zu gestatten. Dann folgte die Frage, warum die Ärzte Seine Majestät nicht vor Abgabe ihres Gutachtens untersucht hätten. Auf die Antwort, daß Seine Majestät seit Jahren keinen Arzt mehr vorgelassen und erst recht keinen Psychiater würden empfangen haben, daß Niemand berechtigt gewesen sei, vor erfolgter Proklamation gegen den Willen Seiner Majestät einen Arzt in das Schloß zu schicken, daß ein solcher von Seiner Majestät höchst wahrscheinlich gefangen gesetzt worden wäre und daß wegen außerordentlicher Fülle des Aktenmaterials eine persönliche Untersuchung unnöthig gewesen sei, lächelten Seine Majestät zustimmend. Alsdann erklärten Allerhöchstdieselben, daß sie nun aufstehen wollten und die Unterredung, welche eine halbe Stunde gedauert hatte, war zu Ende.
    Während derselben überzeugte sich der Unterzeichnete, daß Seine Majestät ruhig und zusammenhängend denken und sprechen können, leicht und richtig auffassen, frei von paralytischen Symptomen sind und noch einen beträchtlichen Grad von Selbstbeherrschung besitzen, daß dagegen andererseits jede Einsicht in die Krankheit oder jedes Krankheitsbewußtsein fehlt, ebenso die Fähigkeit, die Situation richtig zu beurtheilen, daß Wahnideen vorhanden sind und das Bestreben, sich mit Hilfe untergeordneter Diener wieder in Freiheit zu setzen, daß mit einem Wort, Seine Majestät zu jenen unheilbaren Geisteskranken zählen, welche durch ruhiges und klares Sprechen, durch consequentes Handeln leicht und oft lange Zeit dem Laien als gesund erscheinen, während sie in Wirklichkeit ein ganzes System von Wahnideen haben und geistig bereits so geschwächt sind, daß sie auch in ruhigen Krankheitsintervallen aus ihrem Wahnsystem nicht mehr herauskommen. In diesem Sinn sprach sich wiederholt auch Obermedicinalrath v. Gudden aus, welcher insbesondere betonte, daß Seine Majestät ganz entschieden und unheilbar geisteskrank seien und bei längerer und wiederholter Unterhaltung schon einen sehr engen Ideenkreis verrathen und für Vernunftgründe vollständig taub seien, immer wieder auf dieselben wiederholt besprochenen Ideen zurückkommen und in Folge dessen eine höchst ermüdende Conversation führen. Seine Majestät seien andererseits sehr fügsam und müßten mit möglichster Schonung und Milde behandelt werden. Selbstmordgedanken seien nur in der Erregung und unter dem aufregenden Einfluß von Spirituosen zu fürchten. –Wenn esdem Unterzeichneten gestattet ist, schließlich noch seine Ansicht auszusprechen, über die erschütternde Katastrophe, welche Seiner Majestät sowohl als auch seinem opfermuthigen Arzte das Leben raubte, so dürfte der Hergang etwa folgender gewesen sein:
    Seine Majestät, welche vor dem Spaziergang in den Park genügend gegessen hatten, traten denselben wohl kaum mit Selbstmordgedanken an, wohl aber dürften Allerhöchstdieselben sich der Hoffnung hingegeben haben, von dem Arzte eine Befreiung oder wenigstens eine Begünstigung der beabsichtigten Flucht zu erlangen. Als bei diesen Versuchen der Arzt Einwendungen machte, Seine Majestät abzulenken und zur Umkehr zu bewegen trachtete, wird sich eine wachsende Erregung Allerhöchstderselben bemächtigt und rasch den Entschluß zum Selbstmord hervorgerufen haben. In höchster Erregung wird Seine Majestät nach dem See geeilt sein und als der nachfolgende Arzt selbst im Wasser noch den Versuch machte, Seine Majestät zurückzuhalten, wird ein letzter Kampf stattgefunden haben, in welchem v. Gudden unterlag und unter Wasser kam, worauf Seine Majestät ungehindert den Tod in den Wellen suchte und fand. Daß dieser Abschluß einen neuen Beweis für intensive geistige Störung Seiner Majestät liefert, bedarf keines Beweises. –
     
München, den 17. Juni 1886.
Dr. Grashey
Kgl. Universitätsprofessor.
    3. Der Nachtrag vom 17. Juni 1886 zum ärztlichen Gutachten vom 8. Juni 1886[ 10 ]
    Nachtrag
    zu dem Gutachten der Unterzeichneten vom 8. Juni 1886 über den Geisteszustand
    Seiner Majestät Königs Ludwig II. von Bayern. –
    Am 15. Juni 1.Js. fand die Obduction der Leiche Seiner Majestät des höchstseligen Königs Ludwig II. von Bayern statt, und es ergibt sich daher die Aufgabe, das Sectionsresultat zu vergleichen mit der am 8. Juni 1. Js. gestellten Diagnose und Prognose. –
    Vor Allem muß hervorgehoben werden, daß das Gehirn und seine Hüllen sehr zahlreiche krankhafte Veränderungen aufwiesen und zwar:
    I. Veränderungen, welche eine

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