Ein König wird beseitigt
Entwicklungsstörung des Gehirns und des Schädels beweisen; hierher sind zu rechnen:
a) Die auffallende Kleinheit des Schädels, welcher in seinen Maßen nirgends das Mittel überschreitet, während die übrigen Körpermaße und Organmaße durchgehends Maximalziffern aufweisen.
b) Die Störung der Symmetrie des Schädels; der linke diagonale Durchmesser ist 7 mm kürzer als der rechte.
II. Veränderungen, welche eine auf viele Jahre zurückgehende chronische Entzündung der Hirnhäute beweisen und zwar a) Exostosen der Innenfläche des Schädeldaches und der Schädelbasis
b) Bedeutende Verdickungen und Verwachsungen der dura mater (harten Hirnhaut) über dem Stirnhirn nebst einer Knochenplatte in der Hirnsichel c) Trübungen der pia mater (weichen Hirnhaut) und der arachnoidea (Spinnwebenhaut).
III. Veränderungen, welche eine allmälige Atrophie des Gehirns beweisen, bestehend in merklichem Schwund mehrerer Windungen des Stirn- und Scheitellappens beider Seiten. –
In diesen Veränderungen erblicken die Unterzeichneten das anatomische Substrat für die behauptete und klinisch nachgewiesene Geistesstörung und zwar sind die unter 1. aufgeführten Entwicklungsstörungen als das Substrat der behaupteten und nachgewiesenen hochgradigen Disposition Seiner Majestät zu psychischen Störungen aufzufassen und für den behaupteten primären Charakter der nachgewiesenen Paranoia (Verrücktheit), während die unter II. angeführten Veränderungen sicher auf eine Reihe von Jahren zurückgehen und beweisen, daß Seine Majestät schon seit Jahren an Ernährungs- und Circulationsstörungen des Gehirns und demnach auch an Störungen der psychischen Funktionen litten. – Die unter III. angeführten Veränderungen endlich beweisen, daß in der That schon geistige Schwäche vorhanden war. – Die vorgefundenen krankhaften Veränderungen des Gehirns und seiner Hüllen sind irreparabel und progressiv und somit ergibt sich eine vollständige Übereinstimmung zwischen der gestellten Diagnose und Prognose einerseits und dem Sectionsresultate andererseits oder mit anderen Worten, das Sectionsresultat hat bestätigt, daß Seine Majestät von Jugend auf zu Geistesstörung disponirt waren, seit Jahren an Störungen der psychischen Funktionen litten und schließlich in einen Zustand unheilbarer geistiger Schwäche verfallen waren. –
München, den 17. Juni 1886.
Dr. Hagen, k. Hofrath,
Director der Kreisirrenanstalt Erlangen
und Professor Hubrich, k. Director
Dr. Grashey, kgl. Universitätsprofessor.
A 8 Auswahl von Quellen über Ludwig II., sein Umfeld und das gegen ihn geführte Verfahren betreffend, auf die wir gestoßen sind und die in Archiven, vor allem im Bay HStA und im PAAA, aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht einsehbar und/oder nicht mehr vorhanden sind, mit Angabe der Gründe – wenn erhalten
A 9 Die geheimen Tagebücher Ludwigs II. Ermittlungen von Franz Merta[ 11 ] über die Geschichte der erhaltenen Bestandteile oder Bände des Tagebuchs Ludwigs II.
Das Schicksal der Tagebücher Ludwigs II. spiegelt den Umgang mit historischen Dokumenten und mit der Geschichte des Entmachtungsverfahrens gegen den König unter den an diesen Ereignissen Beteiligten wider. Franz Merta hat ihr Schicksal sorgfältig und beinahe lückenlos rekonstruieren können. Wir referieren aus seinem Bericht:
Den ersten Band hatte Minister Lutz durch die Bestechung eines Lakaien noch vor Abschluss des Verfahrens als mögliches Beweismittel gegen den König in seine Hände gebracht.
Am 15. Juni 1886 erhielt Minister Lutz lt. Übergabeprotokoll vom gleichen Datum u.a. eine verschlossene Ledertasche mit dem Schlüssel dazu im verschlossenen Kuvert.
Diese Tasche enthielt zweifellos das letzte, am 19. Januar 1886 begonnene und nur auf wenigen Seiten beschriebene Tagebuch des Königs. Es ging mit den anderen Tagebüchern am 9. März 1889 nach vertraulicher Mitteilung an das Geheime Hausarchiv mit Einverständnis von Minister Lutz.
Das vorletzte Tagebuch, von Lakai Mayr an Minister Lutz übergebene vollgeschriebene Tagebuch scheint Lutz unterschlagen und nach Pensionierung am 31. Mai 1890 in seiner Privatwohnung behalten zu haben. Es kam aus seinem Nachlass mit anderen Unterlagen zu seinem Nachfolger als Kultusminister v. Müller.
Crailsheim teilte ihm mit, S. Kgl. Hoheit habe 1886 befohlen, die Tagebücher zu vernichten. Der Befehl blieb «einstweilen unvollzogen» (weil die Minister dachten, die Tagebücher
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