Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Koffer voller Tiere

Ein Koffer voller Tiere

Titel: Ein Koffer voller Tiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
Vom Netzwerk:
Cholmondeley St. John. Dann heftete sie ihren durchbohrenden Blick auf mich.
    »Haben Affen Seelen?« fragte sie.
    »Das weiß ich nicht, gnädige Frau. Ich kann nicht einmal mit Sicherheit sagen, ob ich eine habe, so können Sie kaum von mir erwarten, mich für einen Schimpansen zu verbürgen.«
    »Hm.« Mehr brachte sie nicht heraus. Das war der Eindruck, den Cholmondeley St. John auf die Leute machte.
    Das Zusammenleben im Haus mit ihm war ein lohnendes Experiment. Sein Charakter und seine Intelligenz machten ihn für mich zu dem interessantesten Tier, dem ich je begegnet bin. Am meisten beeindruckte mich sein Erinnerungsvermögen, das nach meiner Meinung ohne Beispiel war.
    Ich besaß damals eine Lambretta mit Beiwagen und entschloß mich, Cholmondeley auf Fahrten ¡in die Umgebung mitzunehmen, falls er sich in den Beiwagen setzte und nicht während der Fahrt hinaussprang. Die erste Fahrt mit ihm machte ich um den Golfplatz herum, um auszuprobieren, wie er sich verhalten würde. Er saß äußerst wohlerzogen da und betrachtete die vorbeihuschende Landschaft mit königlicher Miene. Abgesehen von gelegentlichen Versuchen, .sich hinauszubeugen und vorbeifahrende Radfahrer an die Beine zu greifen, benahm er sich mustergültig. Dann fuhr ich zur Tankstelle. Cholmondeley war genauso begeistert von der Tankstelle, wie der Tankwart von ihm. Er beugte sich vor und beobachtete genau, wie der Tank aufgeschraubt und der Schlauch hineingehalten wurde. Das Plätschern und Gurgeln des einlaufenden Benzins entlockte ihm ein leises erstauntes »Cooo«. Da eine Lambretta mit einer lächerlich geringen Menge Benzin unglaublich lange auskommt, und ich sie zudem selten benutzte, dauerte es vierzehn Tage, bis ich wieder zu der Tankstelle fuhr. Es war auf dem Rüdeweg von einem Besuch bei Chums Freund, dem Müller, und seiner Wassermühle. Der freundliche Mann, der Cholmondeley St. John sehr bewunderte, hatte immer eine Tasse Tee für uns. So saßen wir denn nebeneinander auf dem Wehr, beobachteten die vorbeisdiwimmenden Moorhühner und tranken nachdenklich unseren Tee. Auf dem Rückweg merkte ich, daß mein Benzin knapp wurde und ich tanken mußte. Als ich den Tankwart begrüßte, sah ich, wie er verblüfft über meine Schultern starrte. Ich drehte mich schnell um. Welches Unglück mochte der Affe wieder angerichtet haben? Cholmondeley war aus dem Beiwagen auf den Sitz geklettert und damit beschäftigt, den Verschluß vom Tank zu schrauben, damit das Benzin eingefüllt werden konnte. Dieses Erinnerungsvermögen erscheint mir sehr beachtlich. Erstens hatte er nur einmal beim Tanken zugesehen, und das war über vierzehn Tage her; zweitens hatte er unter all den Vorrichtungen der Lambretta diejenige herausgefunden, die man öffnen mußte.
    Ein anderes Mal setzte Cholmondeley mich noch mehr in Erstaunen, und zwar nicht nur durch sein Erinnerungsvermögen, sondern auch durch seine Beobachtungsgabe. Ich mußte zweimal mit ihm nach London, einmal für eine Fernsehsendung und einmal zu einem Vortrag. Meine Schwester fuhr mich. Cholmondeley saß auf meinem Schoß und betrachtete interessiert die vorbeiziehende Landschaft. Auf halbem Weg etwa schlug ich vor, anzuhalten und etwas zu trinken. Wenn man Cholmondeley bei sich hatte, konnte man nicht in jedes Restaurant gehen, da Gastwirte nicht immer von einem Affen in der Bar entzückt sind. Schließlich fanden wir eine Kneipe, die vertrauenerweckend aussah, und hielten an. Zu unserer Erleichterung und Cholmondeleys Entzücken merkten wir, daß die Besitzerin sehr tierliebend war. Im Handumdrehen hatten sie und Cholmondeley Freundschaft geschlossen. Er wurde mit Orangensaft und Kartoffelchips gefüttert, durfte zwischen den Tischen »Catch-as-catch-can« spielen und sogar auf der Bar einen Kriegstanz aufführen. Ausgelassen stampfte er mit den Füßen und rief »hoo... hooo...hoo...«. Wirtin und Schimpanse kamen so gut miteinander aus, daß Chum nur ungern mit uns weiterfuhr. Wäre er Automobilklub-Inspektor gewesen, hätte er dieser Bar bestimmt zwölf Sterne verliehen.
    Drei Monate später fuhr ich mit Cholmondeley zu dem Vortrag nach London. Die Bar, in der wir uns bei der ersten Fahrt so gut unterhielten, hatte ich vollkommen vergessen, denn inzwischen waren wir in vielen anderen Lokalen freundlich aufgenommen worden. Unterwegs fing Chum auf meinem Schoß aufgeregt zu zappeln an. Zuerst dachte ich, er habe Kühe oder Pferde entdeckt, Tiere, die ihn stets interessierten. Aber weit und breit war

Weitere Kostenlose Bücher