Ein Kuss fur die Unsterblichkeit
aber
... lecker – ganz fantastisch!«, rief ich.
»Das ist ciorba
de pui«, erklärte Ylenia. »Saure Hühnersuppe mit Zitrone. Sehr gesund!«
»Hast du
... sie gekocht?«, fragte ich, um Zeit zu schinden, und führte Ylenia in den
Teil meines Büros, der wie ein Wohnzimmer eingerichtet war.
Ylenia
hockte sich auf eine Stuhlkante, während ich mich wieder auf dem Sofa
niederließ. »Ja, hab ich!« Sie lächelte und zuckte mit den Schultern. »Wir
Dragomirs haben im
Gegensatz zu den Vladescus keine Bediensteten, die für uns das Essen
zubereiten. Wir lernen zu kochen!«
Sie lachte,
aber ich hatte ein schlechtes Gewissen. Sollte ich Lucius bitten, etwas von
dem Haushaltsgeld für die Instandsetzung und das Personal der alten Burg
meiner Familie freizugeben, die mehr schlecht als recht von den Eintrittsgeldern
der Touristen finanziert wurde, die überall herumschnüffelten?
Als ich
nicht mitlachte, sagte Ylenia: »Hey, war nur Spaß. Ich bin ja froh, dass ich
einen Ort zum Leben habe, jetzt wo mein Vater nicht mehr ist. Ich hätte
nirgendwo sonst hingehen können und es war wirklich sehr nett von dir und
Dorin, mir ein Zimmer zu geben.«
Arme
Ylenia. Ihre Mutter hatte die Familie verlassen, als sie noch ein kleines
Mädchen gewesen war, und ihr Vater hatte sie die meiste Zeit ihrer Kindheit
aufs Internat geschickt – bis er sein dürftiges Vermögen in einem schlechten
Handel mit Dumitru Vladescu verloren hatte, der zu einem Kampf bis auf den Tod
führte. Sie war nicht nur eine Waise, sondern auch noch arm und heimatlos. Auf
einmal fühlte ich mich schäbig, weil ich dachte, mein Leben wäre
schwierig. Aber ich hatte zumindest Eltern und ich hatte Lucius.
Ich stellte
die Thermoskanne auf dem Mahagoni-Couchtisch ab und fragte: »Möchtest du über
die Verhandlung reden? Ich meine, ich kann es verstehen, wenn nicht.«
»Nein, ist
schon okay.« Meine Cousine lehnte sich vor, schenkte eine ordentliche Portion
gelblicher Flüssigkeit in den Deckel der Thermoskanne und hielt ihn mir hin.
»Lucius hat dem Mörder meines Vaters die ganze Geschichte aus der Nase
gezogen, das war nicht leicht mit anzuhören. Aber jetzt fühle ich mich besser,
weil ich denke, dass ihm Gerechtigkeit widerfahren ist.«
Ich
probierte die Suppe und konnte nur mühsam ein Schaudern unterdrücken. »Wie hat
Lucius ihn denn zum Reden gebracht?«
Ylenia
strich ihr altmodisches Kleid über den Knien glatt. »Er ist eben Lucius. Allein
sein Blick reicht aus, um jemanden zum Reden zu bringen. Lucius wirkte schon
als Kind sehr einschüchternd, und je älter er wird, desto mächtiger scheint er
zu werden.«
Ich nahm
noch einen Schluck von der Suppe. Mit einem Mal kam sie mir längst nicht so
seltsam vor wie das, was Ylenia gerade gesagt hatte.
Ich
kenne meinen Mann nicht. Ylenia
war Lucius schon begegnet, bevor ich überhaupt wusste, dass es ihn gab. Sie
waren zusammen auf diesen Sommerversammlungen gewesen, als ich noch Kälber
züchtete und im Conewago Lake schwamm, mit Mindy, die am Ufer saß, weil sie
nicht in das schmutzige Wasser wollte.
»Ylenia?«
Ich musste einfach wissen, wer von uns beiden Dragomir-Cousinen der größere
Feigling war. Ich wahrscheinlich. »Bist du bis zum Ende ...?«
Sie
verstand meine Frage, noch ehe ich sie beendet hatte, und schüttelte den Kopf,
sodass ihre Locken, die noch krauser waren als meine, zitterten. »Nein! Das
konnte ich nicht mit ansehen, selbst wenn es die Rache für den Mord an meinem
Vater war.«
»Ich auch
nicht«, gab ich zu. »Ich konnte einfach nicht.«
Dann saßen
wir eine ganze Weile da, ohne ein Wort zu sagen. Ich leerte den Becher mit
Suppe, denn obwohl ich den Geschmack nicht mochte, fühlte ich mich zum ersten
Mal seit Wochen hungrig, nachdem ich das nun zugegeben hatte. Ich hatte außer
Mindy nie eine gute Freundin gehabt und jetzt, wo sie so weit weg war, brauchte
ich mehr denn je eine. Dorin war zwar irgendwie cool, aber er war mein Onkel. Und
Lucius – er war meine ewige Liebe, aber eben auch ein Typ. Es gab Dinge, die er
einfach nicht verstehen konnte oder über die ich mit ihm nicht so sprechen
konnte wie mit einem Mädchen.
»Ich sollte
jetzt besser gehen«, sagte Ylenia schließlich. »Du siehst müde aus.«
Ich fühlte
mich tatsächlich etwas schläfrig. Wir standen beide auf. »Ja, ich werde mich
wohl gleich schlafen legen.«
Ylenia
schraubte den Deckel wieder auf die Thermosflasche und reichte sie mir. »Du
kannst die Suppe später noch aufessen. Dorin hat gesagt, du
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