Ein Kuss und Schluss
Ihrem Freund beide Beine, weil er Ihnen Geld schuldet.«
»Sie schauen sich zu viele schlecht gemachte Fernsehkrimis an. Ich bin Geschäftsmann. Alles ist völlig legal.«
»Wen haben Sie hier besucht?«
»Das geht Sie einen Scheißdreck an.«
John seufzte. »Ich habe Ihnen eine ganz einfache Frage gestellt, aber Sie scheinen große Schwierigkeiten zu haben, sie zu beantworten.«
Schließlich gab sich Pinsky mit einem Schulterzucken geschlagen. »Na gut. Ich war bei den netten Damen in Nummer 317. Möchten Sie weitere Details hören?«
Drei-siebzehn. Die Adresse, die auch Johns Ziel war. Nur dass er genau gesehen hatte, dass Pinsky aus einem ganz anderen Gebäude gekommen war. »Arbeiten diese netten Damen zufällig im horizontalen Gewerbe?«
»Nun, sie arbeiten wirklich sehr hart, aber nur selten im Stehen. Das Komische ist, je mehr man ihnen bezahlt, desto mehr legen sie sich in die Horizontale. Und wenn Sie auf die Idee kommen sollten, hart arbeitenden Frauen das Geschäft zu ruinieren, sollten Sie mal einen Blick auf ihre Kundenliste werfen. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie Ihre Vorgesetzten nur ungern in eine unangenehme Situation bringen wollen.«
»Keine Sorge, Pinsky, ich will Ihnen nicht das letzte Vergnügen nehmen, das Ihnen noch geblieben ist.«
»Schauen Sie doch auch mal vorbei, DeMarco! Ich habe gehört, dass sie für Polizisten einen Sondertarif haben. Vielleicht können Sie dort Ihren Krampfarsch etwas lockern.«
»Wenn der Tag gekommen ist, an dem ich für Sex bezahlen muss, werde ich mal drüber nachdenken.«
Pinsky warf ihm einen verächtlichen Blick zu und stieg in seinen Wagen. Die Zigarettenkippe schnippte er quer über den Parkplatz, bevor er die Tür zuschlug.
Okay, Renee hatte also Recht. Sie waren Nutten. Aber waren es Nutten, die es nötig hatten, einen Supermarkt zu überfallen?
Eine Minute später klopfte er an die Tür zum Apartment Nummer 317. Die Tür öffnete sich knarrend einen Spalt, und eine Frau lugte nach draußen. »Guten Morgen. Haben Sie einen Termin?«
»Ich habe gehört, Sie bedienen auch unangemeldete Besucher.«
»Nicht grundsätzlich«, sagte sie und musterte John von oben bis unten.
»Ich komme auf Empfehlung von Harry Pinsky.«
Die Tür wurde geschlossen. Dann hörte John, wie mit der Kette hantiert wurde, und kurz darauf wurde ihm geöffnet. »Komm rein, Schatz. Harry ist einer unserer besten Kunden.«
John betrat das Apartment, das überraschend geschmackvoll in Rot-, Grün- und Goldtönen eingerichtet war. Seine blonde Gastgeberin trug ein schlichtes Négligé aus cremefarbener Spitze. Im Wohnzimmer stieß eine zweite Frau zu ihnen, die ähnlich gekleidet war.
»Nett haben Sie‘s hier«, sagte er anerkennend.
»Aber nur noch zwei Wochen«, sagte die erste Frau. »Dann ziehen wir in den Norden der Stadt.«
Die andere lächelte süffisant. »Wenn man bedenkt, dass unsere Familien immer gesagt haben, wir würden es nie zu etwas bringen ...«
Schon nach wenigen Minuten mit den Frauen war John klar, dass diese Spur in eine Sackgasse führte. Wenn er ihren geschäftlichen Umsatz hochrechnete, konnten sie in nur einer einzigen Nacht mehr Geld verdienen, als beim Überfall auf den Supermarkt erbeutet worden war. Das überzeugte ihn fast restlos, dass diese Blondinen nichts damit zu tun haben konnten. Außerdem schienen es unabhängige Geschäftsfrauen zu sein, die nicht auf die Dienste eines Zuhälters angewiesen waren, was bedeutete, dass sie von niemandem unter Druck gesetzt und zu illegalen Aktionen gezwungen wurden. Er erfuhr auch, dass Harry Pinsky seit drei Wochen nicht mehr bei ihnen gewesen war. Und das bedeutete höchstwahrscheinlich, dass jetzt irgendein armer Schlucker mit eingeschlagenen Zähnen oder zertrümmerten Kniescheiben durch die Gegend humpelte.
John gab jeder Frau einen Zwanziger, weil sie sich Zeit für ihn genommen hatten, dann verließ er den Apartmentkomplex und fühlte sich verwirrter als zuvor. Er hatte soeben zwei Verdächtige ausgeschlossen, was Renee allerdings kein Stück weiterbrachte. Aber da war immer noch die Sache mit dem mangelhaften Sehvermögen der alten Dame.
Er seufzte. Falls er sich vorgenommen hatte, seine Schwierigkeiten, Renee ins Gefängnis zu schaffen, aus dem Weg zu räumen, war dieser Vormittag ein kompletter Fehlschlag gewesen.
11
Renee staunte, dass sie sich schon über eine Stunde mit Sandy unterhalten hatte, ohne dass das Gespräch ein einziges Mal ins Stocken geraten war. Die meiste Zeit
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