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Ein Kuss vor Mitternacht

Ein Kuss vor Mitternacht

Titel: Ein Kuss vor Mitternacht
Autoren: Candace Camp
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wenn es bedeutete, völlig mit ihrer Tante zu brechen. „Ich gehe davon aus, dass Lady Haughstons Freundschaft nach dieser Ballsaison beendet sein wird, und dann kehrt in unser Leben wieder der Alltag ein. Aber vergiss nicht, wie viele Vorteile dir und deinen Töchtern in den nächsten Monaten zugutekämen, wenn wir uns alle vernünftig benehmen.“
    Tante Blanches Nasenflügel bebten, ihre Lippen waren ein dünner Strich, und einen Moment lang fürchtete Constance, ihre Tante würde die Kontrolle verlieren. Doch dann schluckte sie schwer, löste die zu Fäusten geballten Hände und holte tief Luft. Sie ergriff Messer und Gabel und begann, das Fleisch auf ihrem Teller zu schneiden. „Natürlich werde ich dich nicht davon abhalten, Lady Haughston zu besuchen, trotz deines unverschämten Betragens mir gegenüber. Mich schaudert bei dem Gedanken an deinen armen lieben Vater, wenn er wüsste, wie anmaßend du mit mir redest.“
    Constance konnte sich gut daran erinnern, dass ihr „armer lieber Vater“ seine Schwägerin auf den Tod nicht hatte ausstehen können und ihm jede noch so weit hergeholte Ausrede recht gewesen war, um ihr bei ihren Besuchen aus dem Weg zu gehen. Daher war sie der Meinung, er hätte seine Tochter für ihre Beharrlichkeit eher gelobt als getadelt. Selbstverständlich verzichtete sie auf eine diesbezügliche Bemerkung, aß ihren Teller leer und bat höflich, sich zurückziehen zu dürfen, ohne auf die feindseligen Blicke der Tischrunde zu achten.
    Sie floh in ihr Zimmer, packte die zu ändernden Kleider und das Zubehör in die Kartons ihrer gestrigen Einkäufe, setzte sich aufs Bett und wartete. Es dauerte nicht lange, bis das Stubenmädchen Jenny klopfte und ankündigte, vor dem Haus warte eine elegante Kutsche auf Constance.
    Sie musste sich dazu überwinden, sich von Tante und Cousinen zu verabschieden, und begegnete drei stummen, mürrischen Gesichtern, die ihr feindselige Blicke zuwarfen. Es würde wohl geraume Zeit dauern, bis der Frieden zwischen ihnen wieder hergestellt wäre. Dennoch bereute Constance ihren Schritt nicht, so frostig die Atmosphäre im Haus in den nächsten Wochen auch werden mochte.
    Haughston House, ein elegantes, weißes Herrenhaus im klassizistischen Stil, lag mitten in Mayfair, dem vornehmsten Stadtteil Londons. Constance entstieg der Kutsche und spähte beeindruckt durch das imposante, verschnörkelte Eisentor, in dem das Wappen der Haughstons prangte, und fühlte sich eingeschüchtert. In Gegenwart von Francesca vergaß man schnell, dass sie aus einem uralten Adelsgeschlecht stammte, ihre Vorfahren zu den engsten Vertrauten von Königen und Prinzen gezählt hatten und sie die Witwe eines Aristokraten war mit ebenso berühmter Ahnentafel.
    Der Gedanke an Francescas Gemahl schoss ihr durch den Kopf. Sie erwähnte ihn nie, nicht einmal als sie sich über Liebe und Ehe unterhalten hatten. Constance wusste nur, dass er vor einigen Jahren verstorben war und Francesca nicht wieder geheiratet hatte. Romantische Gerüchte besagten, dass sie Lord Haughston zu sehr geliebt hatte, um ein zweites Mal zu heiraten, wobei Constance eher das Gegenteil befürchtete. Vielleicht hatte Francescas Gemahl ihr den Geschmack an der Ehe gründlich verdorben.
    Jede Beklommenheit, die das prachtvolle Haus in Constance auslöste, wich von ihr, als Lady Haughston die breite, geschwungene Treppe mit ausgestreckten Armen herabeilte und sie in der Eingangshalle begrüßte. „Constance! Kommen Sie nach oben. Maisie hat wieder einmal wahre Wunder vollbracht. Ich kann es kaum erwarten, Ihnen alles zu zeigen.“
    Mit einem Wink wies sie einen Diener an, Constance die Schachteln und Tüten abzunehmen, und führte sie die Treppe hinauf.
    „Sie haben ein schönes Haus“, sagte Constance und schaute sich um.
    „Ja. Die vormalige Lady Haughston – die Mutter meines Gatten, wohlbemerkt – hatte einen erlesenen Geschmack. Die Einrichtung und die Umbauten des Hauses sind ihr zu verdanken. Wäre es nach dem Geschmack des alten Lord Haughston gegangen, wäre das ganze Haus vollgestopft mit Jagdtrophäen, riesigen Ölschinken mit Jagdszenen und schweren, dunklen Eichenmöbeln aus längst vergangenen Tagen.“ Sie schauderte übertrieben angewidert. „Eigentlich ist das Haus viel zu groß, deshalb wird der Ostflügel nicht mehr bewohnt.“ Sie deutete mit einer vagen Geste zur anderen Seite der Treppe.
    Sie brachte Constance in ihr Schlafgemach, einen großen, hellen Raum mit Blick auf den Garten. Durch
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