Ein Kuss vor Mitternacht
atemberaubende Aussicht bis zum fernen Horizont bot.
„Mein Gott!“ Constance atmete hörbar ein. „Ist das schön!“
Dominic nickte und ließ den Blick schweifen. „Das war mein Lieblingsplatz als Junge. Hier habe ich oft stundenlang gesessen, versunken in der Schönheit der weiten Landschaft, und hing meinen Träumen nach … tausend törichten und unerfüllbaren Wünschen.“
„Gibt es denn törichte Wünsche?“, fragte Constance.
Dominic zuckte mit den Achseln. „Jedenfalls gibt es unerfüllbare Wünsche.“ Er lächelte schalkhaft. „Inzwischen ist der Bedarf an tapferen Rittern und verwegenen Freibeutern verschwindend gering.“ Er wies mit dem Arm in die Ferne. „Sehen Sie dort drüben den Fluss, der durch Cowden fließt? Und noch weiter dahinter befindet sich der Kirchturm von St. Edmund.“ Etwas näher lagen die Bauernhäuser, an denen sie vor wenigen Stunden vorbeigeritten waren.
„Sie lieben dieses Land“, stellte Constance fest.
Er sah sie verdutzt an. „Woher wissen Sie das?“
„Das merke ich Ihrem Tonfall an, und Sie begrüßen Ihre Pächter mit Namen und erkundigen sich nach ihren Familien … überhaupt, wie Sie mit den Leuten reden.“
Ein scharfer Stich bohrte sich in Constances Herz. Plötzlich war sie überzeugt davon, dass Dominic alles tun würde, um seinen Besitz zu erhalten, und das bedeutete unter anderem, eine reiche Frau zu heiraten.
„Ich wundere mich nur, warum Sie Ihrer Heimat so lange ferngeblieben sind.“
In Dominics Augen trat ein kaltes Glitzern.„Mein Vater und ich … wir sind einander fremd geworden.“
Constance scheute sich, ihn über sein Privatleben auszufragen, und schwieg. Nach kurzer Pause fuhr er fort: „Wir hatten vor Jahren eine heftige Auseinandersetzung, und mein Vater jagte mich mit Schimpf und Schande aus dem Haus. Ich brach jede Verbindung zu meinen Eltern und zu Redfields ab. Ich hasste das Land, und ich hasste meine Eltern.“
Constance entfuhr ein erschrockener Laut.
„Sie sind entsetzt“, stellte er ungerührt fest.
„Nein. Ich … ich bin nur verwundert. Mir war nicht klar, wie sehr Ihre Vergangenheit Sie quält.“ Sie hatte gespürt, dass zwischen ihm und seinem Vater eine Kluft bestand, aber nicht geahnt, wie tief diese Kluft war.
Dominic schnitt eine Grimasse. „Ich habe alles versucht, um mich von meiner Vergangenheit zu befreien, aber es ist verdammt schwer, ihr zu entkommen.“
Constance ergriff seine Hand, und er lächelte weich. „Liebe Constance“, sagte er und legte die andere Hand auf ihre Wange. „Sie sind gütig, einfühlsam und warmherzig. Sie wären schockiert, wenn Sie wüssten, wozu meine Familie fähig war und ist.“
„Sie übertreiben. Ich bin längst nicht so gütig und feinfühlig, wie Sie denken“, antwortete sie mit einem verlegenen Lächeln. „Im Übrigen kenne ich Sie und Ihre Schwester. Und dass Sie keine schlechten Menschen sind, da bin ich mir ganz sicher.“
„Vielleicht haben Sie recht, und Francesca und ich sind nicht im eigentlichen Sinn schlecht gewesen – wir waren nur gedankenlos. Eigensüchtig …“ Er seufzte und deutete mit dem Kinn auf einen großen Felsbrocken. „Wir wollen uns setzen, und ich erzähle Ihnen ein paar Geschichten über die Fitz Alans.“
13. KAPITEL
„Francesca und ich sind nur ein Jahr auseinander“, begann Dominic, nachdem sie sich auf dem Felsen niedergelassen hatten. Er hielt Constances Hand und malte mit dem Zeigefinger imaginäre Kringel in ihre Handfläche, während er erzählte.
„Unser Bruder Terence war drei Jahre älter als ich. Und wir hatten eine jüngere Schwester Ivy.“ Er lächelte wehmütig. „Sie war das Nesthäkchen, ein besonders reizendes und hübsches kleines Mädchen, sie sah aus wie ein blonder Engel.“
Constance drückte seine Hand ganz fest, denn die Trauer in seiner Stimme berührte sie zutiefst.
„Mein Bruder hingegen war kein Engel“, fuhr er fort. „Terence war schon als Junge ein Tyrann, der Francesca und mich schikanierte, wo er nur konnte. Nur Ivy, wesentlich jünger als wir drei, blieb vor ihm verschont. Ihr schenkte er keinerlei Beachtung, behandelte sie wie Luft. Unsere Kinderfrau, die Terence und seinen schlechten Charakter durchschaute, bemühte sich aufs Beste, Francesca und mich vor ihm und seiner Gewalt zu schützen. Mehr konnte sie allerdings nicht für uns tun, da unsere Eltern sich strikt weigerten, Terence so zu sehen, wie er wirklich war.“ Dominic bekam einen bitteren Zug um den Mund. „Er
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