Ein Kuss vor Mitternacht
Laufschritt zur Hütte, raffte die Röcke, so gut es möglich war, zusammen, was vollkommen sinnlos war. Das Reitkostüm war bereits vom Regen komplett durchnässt und nicht nur am Saum mit Lehm bespritzt, sondern von der Rutschpartie den steilen Abhang hinunter auch am Rücken; überall klebten nasses Laub und Dornenranken.
Constance schob den Riegel zurück, stieß mit der Schulter gegen die morsche Holztür, die erst nach einigen Versuchen quietschend nachgab, und betrat eine dämmrige Stube, in der es nach Staub und Moder roch. Sie fröstelte in ihrer nassen Kleidung, schlang die Arme um sich und schaute sich um.
Es gab nicht viel zu sehen in der kargen Hütte, die offenbar nur aus einem einzigen Raum bestand. Zwei schmale Fenster, von denen eines mit Efeuranken überwuchert war, an einer Wand ein schmales Bett, davor eine geflochtene Matte, in der Mitte ein Tisch und ein Hocker, neben dem rußigen Kamin ein roh gezimmerter Schaukelstuhl. Alles war mit einer dicken Staubschicht und Spinnweben bedeckt. Offensichtlich war die Hütte bereits seit vielen Jahren verlassen.
Dominic stürmte herein, schüttelte sich wie ein nasser Hund und warf einen Blick in die Runde. „Nicht sehr gemütlich, fürchte ich.“ Er betrachtete Constance. „Du meine Güte, Sie schlottern ja.“
„Mir ist nur ein wenig kalt wegen der Feuchtigkeit.“
„Feuchtigkeit?“ Er hob amüsiert eine Braue. „Sie sind bis auf die Haut durchnässt.“
Sie musste aussehen wie ein Waldschrat in dem tropfnassen, lehmbespritzten Kleid, an dem Blätter und Kletten klebten, dachte sie verlegen und tastete nach ihrem nassen Haar.
Dominic ging vor dem Kamin in die Hocke und suchte nach dem Hebel des Abzugs. „Hoffentlich ist das Ding nicht völlig verrostet“, brummte er.
Dann begann er, trockenes Brennholz in der Feuerstelle locker aufzuschichten, während Constance Blätter und dornige Ranken von Kleid und Haaren entfernte. Nach einer Weile gelang es Dominic tatsächlich, ein Feuer zu entfachen; der Abzug im Kamin funktionierte wie durch ein Wunder und verhinderte, dass der Qualm nach unten gedrückt wurde und die Stube erfüllte.
Constance klaubte die verbliebenen Nadeln aus ihrem Haar, rieb es mit einem löchrigen Tuch trocken, das an einem Wandhaken gehangen hatte, fuhr sich mit gespreizten Fingern durch die zerzauste Lockenmähne und schaute Dominic zu, der die züngelnden Flämmchen zu einem stattlichen Feuer anfachte.
Dann richtete er sich auf und drehte sich zu ihr um. „Setzen Sie sich ans Feuer.“
Constance trat neben ihn. Lächelnd zupfte er ihr ein vergessenes Blatt aus dem Haar.
„Ich muss schrecklich aussehen“, murmelte sie.
„Sie sehen aus wie eine Waldelfe“, entgegnete er, und sein Lächeln vertiefte sich. „Eine tropfnasse Waldelfe.“
„Tropfnass trifft gewiss zu“, bestätigte sie, und ein Frösteln überlief sie.
„Sie müssen diese nassen Kleider loswerden“, riet er. Sie sahen einander in die Augen. Seine Worte schienen zwischen ihnen zu vibrieren.
Constance fiel das Atmen schwer. „Ich … ähm …“
Wirre Bilder schossen ihr durch den Sinn, wie sie sich vor Dominic entkleidete, und diese anstößige Bilderflut verursachte eine sengende Hitze in ihr, seltsamerweise aber nicht vor Scham, sondern vor sinnlicher Erwartung.
Dominic wandte sich jäh ab, durchquerte steifbeinig die Stube, öffnete den Deckel einer Truhe am Fußende des Bettes, holte eine Decke hervor und schüttelte sie aus.
„Hier, die dürfte einigermaßen sauber sein. Ziehen Sie das Kleid aus und wickeln sich in die Decke. Wir hängen Ihre nassen Sachen zum Trocknen ans Feuer.“
Während er sprach, streifte er das Jackett ab und warf es über die Lehne des Schaukelstuhls, bevor er sich an den Knöpfen seiner Weste zu schaffen machte. Constance blieb regungslos stehen und schaute ihm zu.
„Bitte“, sagte er mit belegter Stimme. „Sie müssen die nassen Sachen loswerden, sonst erkälten Sie sich. Ich … ich gehe solange raus.“
„Nein, Sie werden nur nass. Der Regen ist noch stärker geworden“, widersprach Constance.
„Ich bin ohnehin bis auf die Haut durchnässt“, stellte er fest.
Ihr Blick fiel auf seine Hemdbrust. Der dünne Batist klebte beinahe transparent an seiner Haut, sie konnte die dunklen Kreise seiner Brustwarzen erkennen, die Konturen seiner Muskelwölbungen, die dunklen Schatten seiner Brusthaare. Auch die Reithosen klebten durchnässt an seinen Schenkeln, was erkennen ließ, wie muskulös und
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