Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
mächtigsten Akteure auf der Weltbühne.
Schließlich willigte Kibaki in die Machtteilung ein. Damit die Kontrahenten keine Chance bekamen, doch noch einen Rückzieher zu machen, trat ich mit ihnen auf die Treppe des Harambee House hinaus und gab sofort den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen bekannt. Anschließend wurde der Vertrag über die Grundsätze der Partnerschaft der Koalitionsregierung unter den Augen der Öffentlichkeit unterzeichnet. Aber ich verspürte kein Triumphgefühl. Es hatte viel zu lange gedauert. »Wenn Elefanten kämpfen, leidet das Gras«, lautet ein Suahelisprichwort. Genau dies war mit tödlichen Folgen um uns herum geschehen.
Aber mit der Wiederherstellung des Vertrauens endete das Blutvergießen. Jetzt konnte ein Versöhnungsprozess beginnen und die schwierige Aufgabe der Heilung in Angriff genommen werden. Obwohl der Konflikt tragischerweise bereits viele Menschenleben gekostet hatte, konnten wir eine Katastrophe von weit größerem Ausmaß verhindern. Uns war etwas gelungen, was in der Geschichte der Friedensstiftung selten ist: Wir hatten eine Spirale der Gewalt aufgehalten, bevor zu viele in den Reihen der Konfliktparteien nichts mehr zu verlieren hatten und nur noch auf Rache sannen. Die Unterzeichnung des Vertrages am 28. Februar wurde in ganz Kenia mit Erleichterung aufgenommen; die Kenianer holten das Neujahrsfest, das ihnen aufgrund der seit Ende Dezember herrschenden Gewalt entgangen war, nach und wünschten sich jetzt, Ende Februar, gegenseitig ein gutes neues Jahr.
Kurz darauf verabschiedete das Parlament die im Vertrag vorgesehene Verfassungsänderung. Es war eine Übergangsregelung, die den Weg zu einer umfassenden Verfassungsreform an Haupt und Gliedern ebnen sollte. Für mich bedeutete dies, dass meine Schlichterrolle in der kenianischen Krise nicht beendet war. Gekommen war ich für zwei Wochen, wie ich glaubte, doch noch vier Jahre später sollte ich an der Umgestaltung Kenias beteiligt sein. Punkt vier der KNDR -Agenda, auf die sich die Konfliktparteien am 1. Februar geeinigt hatten, war die Beseitigung der tieferen Ursachen der Gewalt, von denen viele im politischen System des Landes lagen. Im Lauf der nächsten Monate und Jahre fanden mit Beteiligung meines Teams vor Ort, das von Nana Effah-Apenteng geleitet wurde, weitere Verhandlungen über eine neue Verfassung statt. Sie sollte durch eine Dezentralisierung der Regierung die Macht umverteilen, was durch eine Landreform, eine Grundrechtecharta und eine Einschränkung der Machtbefugnisse des Präsidenten unterfüttert werden sollte. Auf diese Weise würden jeder Wahlkreis und jede Bevölkerungsgruppe in Kenia, einschließlich sämtlicher Stammes- und Regionalgruppen, Repräsentanten mit einer gewissen Teilhabe an der Macht besitzen. Das destruktive politische System unter dem Motto »Der Gewinner bekommt alles« würde der Vergangenheit angehören.
Am 4. August 2010 fand eine Volksabstimmung statt, in der sich die Mehrheit der Kenianer für die neue Verfassung, die die politische Landschaft des Landes grundlegend umgestalten würde, entschied. Selbst Kibaki hatte für die Zustimmung zur neuen Verfassung geworben, obwohl sie seine eigene Macht schmälern würde.
Einer der ins Auge fallenden Aspekte der Schlichtung in Kenia und der Verwirklichung ihres Ergebnisses war die aktive, beständige Teilnahme aller interessierten Seiten – nicht nur der kenianischen Politiker und der Weltgemeinschaft, sondern auch der Zivilgesellschaft, religiöser Gruppen und der Wirtschaft. Die kenianische Gesellschaft insgesamt übte ständig Druck auf die politische Führung aus. Beispielsweise spielten Unternehmer und Geschäftsleute eine beachtliche Rolle, indem sie auf die nachteiligen Folgen der politischen Krise für die Wirtschaft des Landes hinwiesen, insbesondere auf die negativen Auswirkungen, wenn Kenia seine Stellung als Geschäftszentrum und ökonomische Lokomotive der Region verlieren sollte. Die vielfältige Zivilgesellschaft Kenias spielt weiterhin eine aktive Rolle im Friedensprozess und stellt auf unterschiedliche Weise die erfolgreiche Umsetzung des Vertrages vom Februar 2008 sicher.
Neben der Reform des politischen Systems des Landes zog unsere Schlichtungsmission weitere Neuerungen nach sich. Gemäß der Erklärung vom 14. Februar einigte man sich am 4. März 2008 auf die Schaffung zweier Institutionen: der Untersuchungskommission über die Gewalt nach den Wahlen ( CIPEV ; Waki-Kommission) und der Wahrheits-,
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