Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
den beiden Parteiführern Feuer unter den Füßen machen.
Nach meiner Erklärung vor der Presse stattete ich zuerst Odinga und dann Kibaki einen privaten Besuch ab. Sie hatten einen solchen Schritt nicht erwartet, und die Aussicht auf direkte Verhandlungen miteinander überraschte sie. Im Gespräch mit Odinga hielt ich dem ODM -Führer vor Augen, dass er nur noch abzuwarten brauche. Wenn er den Kompromiss jetzt zustande bringe, werde er wahrscheinlich der nächste Präsident werden. Diese Botschaft fand offenbar Widerhall. Doch das eigentliche Problem, das über die Chancen eines kenianischen Friedensabkommens entschied, war Kibakis Bereitschaft, in der Frage der Machtbefugnisse von Präsident und Ministerpräsident einen Kompromiss einzugehen.
In meinem Gespräch mit Kibaki baute ich zunächst einen gewissen Druck auf, indem ich darauf hinwies, dass ich in ständigem Kontakt mit Schlüsselfiguren der Weltgemeinschaft stünde, etwa mit Condoleezza Rice und George W. Bush in den Vereinigten Staaten sowie mit Staatsführern in der EU und anderswo. Dann erklärte ich: »Die Weltgemeinschaft gewinnt den Eindruck, dass der Grund für die ausbleibende Einigung in der fehlenden Bereitschaft der PNU zu suchen ist, Zugeständnisse zu machen. Wenn das hier scheitert, wird es von ihrer Seite Konsequenzen haben.«
Darüber hinaus versuchte ich Kibaki dazu zu bewegen, über die langfristige Perspektive nachzudenken, indem ich sie nicht als Bedrohung für seine Herrschaft, sondern als Chance für ihn darstellte. »Raila ist ein junger Mann, Herr Präsident«, sagte ich. »Aber Sie sind der Ältere, und in diesem Augenblick sind Sie der Präsident. Sie haben es in der Hand, Kenia zu verändern. Dies könnte Ihre Hinterlassenschaft sein: eine versöhnte Nation und ein versöhntes Volk.« Er hörte mir in seiner üblichen ruhigen, emotionslosen Art zu und erwiderte dann, eine Koalitionsregierung werfe formale Probleme auf, und es sei fraglich, ob die Berufung eines Ministerpräsidenten mit der kenianischen Verfassung vereinbar sei.
»Sie haben hier das Sagen«, erinnerte ich ihn. »Retten Sie Ihr Land. Andernfalls wird Ihnen eine Menge auf den Kopf fallen.« Ich studierte sein Gesicht. »Herr Präsident, über tausend Menschen sind tot«, sagte ich abschließend. »Es ist Zeit für eine Abmachung.«
Das Treffen zwischen Odinga und Kibaki war unsere letzte Chance. Aber ich war überzeugt, dass wir es geschafft hatten. Nach meiner öffentlichen Enthüllung des Stillstands der Verhandlungen war klar, dass eine Seite den Prozess blockierte. Wenn ich jetzt abreiste, ohne eine Vereinbarung erreicht zu haben, würde alle Welt wissen, dass Kibaki schuld daran war. Er wäre bloßgestellt. Darüber hinaus hatte ich die US -Regierung angerufen, um sie über den Stand der Dinge zu informieren. Daraufhin hatte Condoleezza Rice öffentlich erklärt, die künftigen Beziehungen der Vereinigten Staaten zu Kenia würden davon abhängen, ob die Verhandlungsparteien dem jetzt auf dem Tisch liegenden Kompromiss zustimmten. Angesichts dieser Ausgangslage würde Kibaki, wie ich glaubte, sich bewegen müssen.
Am 28. Februar führte ich mit Kibaki und Odinga fünf Stunden lang intensive Verhandlungen. Außer uns dreien waren nur noch der tansanische Präsident Jakaya Kikwete und dessen Vorgänger Benjamin Mkapa anwesend. Ich hatte die beiden hinzugebeten, damit sie Kibaki ihre Erfahrungen mit dem tansanischen System schilderten, zu dem ebenfalls eine Machtteilung zwischen Präsident und Ministerpräsident gehörte. Das hatte ich am Tag zuvor in einem Gespräch im Regency Hotel mit Kikwete und Mkapa abgesprochen, und jetzt führten sie Kibaki eindringlich vor Augen, dass ein starker Präsident in einem solchen System ohne Schwierigkeiten handeln könne. Damit nahmen sie ihm das letzte substantielle Argument gegen die Übereinkunft.
Das Wild war in die Enge getrieben. Ich hatte allen Beteiligten gesagt, dass dies die letzte Verhandlungsrunde sei und wir sie erst beenden würden, wenn eine Vereinbarung erreicht worden sei und wir sie sofort im Anschluss draußen auf der Treppe, in der Öffentlichkeit, unterzeichnet hätten. Odinga konnte jetzt keinen Rückzieher mehr machen, denn er hatte dem Kompromiss bereits zugestimmt, und Kibaki stand vor der Wahl, entweder darauf einzugehen oder allein ins grelle Licht der Verachtung, die ihm wegen seiner Sturheit entgegenschlagen würde, hinauszutreten – sowohl vor das kenianische Volk als auch vor die
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