Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
nicht der Präsident selbst, sogar gegen die Millenniumsentwicklungsziele. Sie kamen in ihren Reden über die internationale Entwicklung nicht mehr auf sie zu sprechen und begannen Widerspruch gegen ihre Erwähnung in UN - und OECD -Dokumenten einzulegen. Aus Sorge über das Ausmaß des Engagements, das die Millenniumsziele von den reichen Ländern verlangten, kam es sogar so weit, dass der amerikanische UN -Botschafter John Bolton versuchte, jeden Hinweis auf sie aus der Schlusserklärung des Gipfels von 2005 streichen zu lassen, obwohl das Treffen zur Prüfung der Fortschritte auf dem Weg zur Erreichung eben dieser Ziele einberufen worden war. Da er in dieser Frage völlig allein dastand, konnte sich Bolton nicht durchsetzen, aber sein Versuch, die Millenniumsentwicklungsziele ausgerechnet auf einem Gipfel zu torpedieren, auf dem sie vorangebracht werden sollten, war dem Ansehen der Vereinigten Staaten in der Welt nicht gerade förderlich.
Seither ist der Kampf gegen die Armut stets nur auf ähnlich holprige Weise vorangekommen. Der G8-Gipfel im schottischen Gleneagles im Jahr 2005 mit Tony Blair als Gastgeber, der sich auf seinen zuverlässigen Finanzminister Gordon Brown stützen konnte, war ein weiterer Höhepunkt, dessen Ergebnisse später verwässert wurden. In Gleneagles wurde eine Reihe bahnbrechender Versprechen abgegeben, wie die Verpflichtung, die Hilfen für Afrika bis 2010 zu verdoppeln. Aber eingehalten haben die G8 dieses Versprechen nicht.
Die vielen Helfer, Organisatoren, Aktivisten und lokalen Persönlichkeiten, die sich in der Entwicklungsarbeit engagieren, brauchen die finanzielle Unterstützung und die Mittel, die nur die reichen Länder bereitstellen können, um die beachtlichen Ergebnisse solcher zielgerichteten Hilfe zu vervielfachen. Um nur zwei Beispiele für die Wirkung gezielter Hilfen anzuführen:
Am Anfang des neuen Jahrhunderts starben in Äthiopien jedes Jahr über 29 000 Menschen an Malaria, bis die Regierung im Jahr 2005 als eine Maßnahme zur Verwirklichung der Millenniumsentwicklungsziele an jede gefährdete Familie zwei Moskitonetze ausgab; zugleich wurden die Kosten der Malariabehandlung, einschließlich der Medikamente, gesenkt, was nur mit Entwicklungshilfemitteln von außen möglich war. Innerhalb von nur drei Jahren halbierte sich die Zahl der Malariatoten.
In Ruanda hatten 2003 nur sieben Prozent der Bevölkerung Zugang zur Gesundheitsversorgung. Dann wurde ein Krankenversicherungssystem eingeführt, dessen geringe Beiträge für diejenigen, die sie sich nicht leisten konnten, aus Entwicklungshilfemitteln bezahlt wurden. Mit dieser einfachen Maßnahme konnte der Anteil der Bevölkerung mit Zugang zur Gesundheitsversorgung auf 85 Prozent gesteigert werden.
Solche Projekte sind es, die – in den unterschiedlichsten Bereichen und überall auf der Welt nachgeahmt – in der Armutsbekämpfung den von den Millenniumszielen geforderten nachhaltigen globalen Sprung nach vorn bewirken können. Und ihre enormen greifbaren Erfolge für die Betroffenen sind ohne ausländische Hilfe nicht realisierbar. Aber die reiche Welt ziert sich weiterhin und hat es wiederholt versäumt, sich mit Macht für solche Aktivitäten zu engagieren. Obwohl der Negativtrend der Entwicklungshilfe seit der Jahrhundertwende umgekehrt werden konnte, haben die entwickelten Länder das von ihnen kollektiv gegebene Versprechen, 0,7 Prozent des Bruttosozialproduktes für Entwicklungshilfe auszugeben, nicht einmal annähernd eingelöst. Dabei markiert diese Zahl nur das Minimum der Geldmittel, die nötig wären, um die extreme Armut mit einiger Hoffnung auf Erfolg bekämpfen zu können.
Es muss freilich auch gesagt werden, dass die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe von der Führung und den institutionellen Reformanstrengungen der Empfängerländer abhängt. Nicht nur aufgrund von Korruption können Finanzhilfen wirkungslos und verschwendet sein. Schwache Politik, schlechte Führung und verantwortungslose Institutionen sorgen ebenfalls für die furchtbaren Bedingungen der Armen. In Pakistan, zum Beispiel, liegt die Abwesenheitsrate von Lehrern bei 19 Prozent, und in manchen Teilen der Welt beträgt sie sogar 25 Prozent und mehr. Aus Bangladesch wird berichtet, dass die Abwesenheitsrate von Ärzten in Polikliniken für die medizinische Grundversorgung 74 Prozent erreicht. In einem Bericht der Weltbank heißt es dazu, ein derartiger Absentismus sei keine Sache des Geldes, sondern ein institutionelles Problem,
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