Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
der Haushalte groß genug sein, dass genüg übrig bleibt, um einerseits etwas zurücklegen und andererseits in Form von Steuern einen Beitrag zum öffentlichen Haushalt leisten zu können. Dies ermöglicht Investitionen in Human- und Sachkapital sowie in Grund und Boden, die wiederum die ökonomische Entwicklung ankurbeln. Daraus entsteht ein selbsttragender, positiver Kreislauf der Kapitalakkumulation, der ein Wirtschaftswachstum mit sich bringt, durch das die Haushaltseinkommen steigen – und so weiter.
Dagegen verbrauchen Haushalte in Gemeinschaften, die in der Armutsfalle gefangen sind, ihr gesamtes geringes Einkommen dafür, ihre Mitglieder am Leben zu erhalten. Für Steuern und Ersparnisse bleibt kein Geld übrig. Deshalb erleiden Vermögenswerte, bei gleichzeitigem Bevölkerungswachstum, einen stetigen Wertverlust, so dass der Kapitalstock in Form der in der Gemeinschaft verfügbaren Ressourcen und Dienstleistungen immer weiter abschmilzt. Dies verringert die Chance, dass das Einkommen der einzelnen Haushalte steigt, weiter und führt in der Regel sogar zu einem Einkommensverlust. Nimmt man die Krankheiten, vor denen sich solche Haushalte aufgrund ihrer Armut nicht schützen können, mit ins Bild, sinkt die Produktivität noch drastischer, wodurch das Einkommen und das verfügbare Kapital noch geringer werden.
Infolge dieses Kreislaufs schrumpfen die Wirtschaft und der Kapitalbetrag pro Kopf. In einer solchen Lage befinden sich Millionen von Gemeinden in aller Welt, und ohne Hilfe von außen wird sich ihre Situation weiter verschlechtern. Die einzige Lösung ist der gezielte Einsatz von Kapitalspritzen, um den Kreislauf der Armutsfalle in einen Kreislauf der Kapitalakkumulation zu verwandeln. Um diese Interventionen zu finanzieren, sind beträchtliche Entwicklungshilfemittel der reichen Länder erforderlich.
Im Kern der Millenniumsentwicklungsziele stand eine Auffassung, die heute zunehmend anerkannt wird, sich aber immer noch nicht überall durchgesetzt hat: dass nämlich die Gleichberechtigung der Frauen einen einzigartigen Beitrag zur Erreichung der breiteren Ziele – von der Armutsbekämpfung über die nachhaltige Entwicklung, die Bildung und die gute Regierungsführung bis hin zu den Menschenrechten – leisten kann. Auf meinen Reisen zu einigen der am meisten gefährdeten Gemeinschaften in Afghanistan, Indien und Afrika war es mir zumeist ein besonderes Anliegen, Mädchenschulen, Mikrofinanzprojekte mit dem Ziel der Beschäftigung von Frauen sowie Heime und Krankenhäuser für weibliche Opfer von HIV/AIDS zu besuchen. Ich sah die grenzenlose Wissbegier und Lernbereitschaft in den Augen der jungen Mädchen, den unternehmerischen Geist und das Verantwortungsgefühl bei denen, die in neuen Unternehmen engagiert waren, und die grausamen Lebensbedingungen der Frauen, die eine Krankheit hatten, deren Existenz ihre Gesellschaft häufig nicht einmal anerkennen wollte. Ich legte Wert darauf, weibliche Aktivistinnen und führende NGO -Mitglieder, Ministerinnen und Lehrerinnen zu treffen, nicht nur um ihnen Mut zu machen und sie zu unterstützen, sondern auch um ein Signal an die Entscheidungsträger in ihrem Land zu senden, dass Frauen für die Vereinten Nationen niemals unsichtbar sind.
Selbstverständlich wussten wir, dass es keinen einfachen Weg zur Stärkung – oder auch nur zur grundlegenden Gleichheit – der Frauen gab. Geschlechterungleichgewichte in der Bildung zum Beispiel sind häufig Folgen von gesellschaftlichen Einstellungen und kulturellen Praktiken, die nicht von heute auf morgen überwunden werden können. Frühe Eheschließungen sind ein gutes Beispiel. In vielen Ländern ist es für die ärmsten Haushalte häufig eine wirtschaftliche Notwendigkeit, ihre Töchter früh zu vermählen, um sich den Brautpreis zu sichern. Hinzu kommt in manchen Gesellschaften die Überlegung, dass Investitionen in die Bildung von Töchtern später nur den Familien ihrer Ehemänner zugutekommen werden. Die Ablehnung der Schulbildung von Mädchen ist leider viel zu weit verbreitet. In Ländern wie dem Tschad, Äthiopien, Mali, Bangladesch, Indien und Sierra Leone wird jedes dritte bis vierte Mädchen mit 15 Jahren verheiratet, womit ihre Schuldbildung endet und für sie ein Leben ohne Chancengleichheit beginnt.
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