Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
uns in einer Sitzung des Nahostquartetts, bestehend aus UNO , USA , EU und Russland, das die Nahostpolitik koordinierte, seit ich es drei Jahre zuvor zusammengebracht hatte. EU -Außenkommissar Patten hatte mit seiner Bemerkung auf eine Forderung von Powell geantwortet: Dieser hatte uns andere aufgefordert, uns den amerikanischen Bemühungen, den Palästinenserführer Jassir Arafat zu isolieren, anzuschließen. Wenn die Vereinigten Staaten wollten, dass man Arafat kaltstellte, würden sie dann Israel drängen, den Siedlungsbau zu beenden?
»Das ist ein interessantes Angebot«, erwiderte Powell in seiner pragmatischen Art. Vielleicht überlegte er, ob er Washington einen solchen Deal schmackhaft machen konnte, von Israel ganz zu schweigen. Die Frage erledigte sich jedoch wenig später von selbst, da Arafat im November 2004 verstarb. Aber ich bewunderte Patten dafür, dass er eine Gegenleistung für die ziemlich weitreichende Forderung verlangte, der wir uns beugen sollten. Die jahrzehntelangen Bemühungen, den israelisch-palästinensischen Konflikt beizulegen, liefen auf Folgendes hinaus: die israelische Anerkennung der Notwendigkeit, die Besetzung der Westbank und des Gazastreifens zu beenden und eine Zweistaatenlösung auf der Grundlage der Grenzen von 1967 zu akzeptieren; und die Entscheidung der Palästinenser – und ihrer Führer –, die Existenz Israels ein für alle Mal anzuerkennen und die Illusion aufzugeben, ein palästinensischer Staat sei zu erreichen, indem man das Unsicherheitsgefühl der Israelis schürte.
Ich hatte Washingtons Mantra viele Male gehört: »Arafat ist das Problem.« Dem stimmte ich insoweit zu, als Arafats Verhalten tatsächlich ein großes Problem darstellte. Während der seit 2000 wütenden Intifada waren Hunderte von Israelis durch Selbstmordanschläge palästinensischer Milizen ums Leben gekommen. Ich hatte stets gegen den Terrorismus Stellung bezogen, den palästinensischen ebenso wie jeden anderen. In meinen Augen war es keineswegs »legitimer Widerstand«, Autobusse voller Israelis in die Luft zu jagen oder willkürlich mit Raketen auf Wohngebiete zu schießen. Arafat tat nicht genug, um diesem Grauen ein Ende zu setzen. Tatsächlich war der Apparat, an dessen Spitze er stand, gelegentlich sogar in die Anschläge verwickelt. Als Person konnte Arafat sehr gewinnend sein – aber auch sehr unzuverlässig. Er konnte beiläufig etwas behaupten, obwohl ihm klar war, dass ich wusste, dass es nicht wahr sein konnte, und er baute unter sich eine verworrene, korrupte Führungsstruktur auf. Um ihm mein Missfallen an seiner Doppelzüngigkeit zu verstehen zu geben, hatte ich meine eigenen Abgesandten zuzeiten angewiesen, Kontakte zu ihm zu vermeiden – was aufgrund der engen Beziehungen zwischen den Vereinten Nationen und den Palästinensern nicht einfach war.
Aber war Arafat das einzige Problem, wie Washington behauptete? Was war mit dem israelischen Siedlungsbau auf palästinensischem Land und der Annexion und Isolierung von Ostjerusalem? Damit verstieß Israel gegen das Völkerrecht, diskreditierte für Gewaltlosigkeit eintretende Palästinenser und verkleinerte die territoriale Basis für einen lebensfähigen palästinensischen Staat. Im Übrigen, welche Alternative gab es zu Arafat? Ich vergaß nie, dass er derjenige war, der sein Volk dazu gebracht hatte, die Idee einer Zweistaatenlösung zu akzeptieren und den Anspruch auf 78 Prozent des ehemaligen Mandatsgebiets Palästina aufzugeben. Darüber hinaus hatte er das Oslo-Abkommen unterzeichnet, in dem Israel anerkannt wurde. Hätte man ihn kaltgestellt, wäre das Feld frei gewesen für seinen militanten islamistischen Rivalen, die Hamas. Konnte jemand ernsthaft diesen Ausgang wollen? Der israelische Diplomat Abba Eban prägte das berühmte Bonmot, dass die Palästinenser nie eine Gelegenheit versäumten, eine Gelegenheit zu versäumen, während Israelis und Amerikaner ständig versuchten, eine Gruppe von Unterhändlern auf der arabischen Seite an den Rand zu drängen, nur um zu erleben, wie sie durch eine noch widerspenstigere ersetzt wurde.
Kurz, wenn Arafat ein Problem war, dann war Ariel Sharon auch eines. Kaum etwas deutete darauf hin, dass der israelische Ministerpräsident den Palästinensern wahre Gerechtigkeit und Würde zuerkennen wollte. Er setzte die israelische Armee nicht nur ein, um Militante auszuschalten, sondern auch dazu, die politischen Strukturen und Sicherheitskräfte der Palästinensischen Autonomiebehörde
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