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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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zu zerstören. Er drangsalierte die Palästinenser mit Checkpoints und baute eine Mauer, die – was immer ihr vorgeblicher Sicherheitszweck war – auf einer Linie verlief, die mitten durch palästinensisches Land führte und vom Internationalen Gerichtshof als illegal bezeichnet worden war. »Gute Zäune machen gute Nachbarn«, sagte Sharon zu mir. »Sicher«, erwiderte ich, »aber nur, wenn der Zaun nicht auf dem Land des Nachbarn errichtet worden ist.«
    Anstatt darüber zu streiten, wer die Guten und wer die Bösen seien, musste die Weltgemeinschaft nach meiner Ansicht erkennen, dass die Konfliktparteien in einem tragischen Kreislauf gefangen waren. Ohne robuste internationale Hilfe würden sie ihn nie durchbrechen können. Wir mussten zusammenarbeiten, Anreize schaffen und wirklichen Druck ausüben, um beiden Seiten zu helfen, ihre selbstzerstörerischen Verhaltensmuster aufzugeben und ein Abkommen auszuhandeln. Doch das war leichter gesagt als getan. Welche Rolle kam mir als UN -Generalsekretär zu? Wann sollte ich als stiller Dialogvermittler agieren und wann zum Megaphon der öffentlichen Diplomatie greifen? Wann sollte ich den Sicherheitsrat drängen, mehr zu tun, wann mich meinerseits von ihm drängen lassen und wann ohne ihn handeln – etwa in Ad-hoc-Gruppen wie dem Nahostquartett? Wie sollten wir mit einer demokratischen Regierung wie der israelischen umgehen, die durch den Siedlungsbau dennoch immer wieder gegen das Völkerrecht verstieß, und wie mit militanten Bewegungen wie der Hamas, die Terroranschläge verübte und glorifizierte, aber aufgrund der Klagen und ungelösten Probleme der Bevölkerung von dieser unterstützt wurde? Wie konnten wir den Zynismus und die Verzweiflung überwinden, die vom Scheitern des Friedensprozesses selbst hervorgerufen wurden, und dafür sorgen, dass der Dialog vor Ort geführt wurde?
    Als Generalsekretär musste ich mich diesen Dilemmas stellen. Der Konflikt musste beendet werden, denn die ungelöste Notlage der Palästinenser und die fortdauernde Unsicherheit Israels sind Quellen großer moralischer Sorge und tiefen menschlichen Leids. Aber es gibt auch weiterreichende Gründe. Nach meiner Ansicht ist das Unvermögen, einen arabisch-israelischen Frieden zustande zu bringen, eine Hauptursache der Frustration und Instabilität in der Region. Außerdem stellt es für die UNO eine tiefe innere Verletzung dar, die so alt ist wie die Organisation selbst, denn der arabisch-israelische Konflikt brach bei ihrer Gründung aus und bildet seither eine schmerzende, schwärende Wunde, die in fast allen internationalen Organen und Sekretariatsbereichen zu spüren ist. Bevor ich Ende 2006 als Generalsekretär aus dem Amt schied, sagte ich dem Sicherheitsrat, dass der israelisch-palästinensische Konflikt nicht einfach ein ungelöstes Problem unter vielen sei. Kein anderes ist derart symbolisch und emotional aufgeladen und zieht noch weit vom Konfliktherd entfernt lebende Menschen derart in Mitleidenschaft.
    Ein UN-Sitz am Verhandlungstisch?
    Ein UN -Generalsekretär kann nicht einfach auf der Bühne erscheinen und erwarten, dass er im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern eine politische Rolle spielen kann. Während viele andere Akteure eine wirklich multilaterale Behandlung des Problems wünschen, beharren die Vereinigten Staaten darauf, das Heft in der Hand zu behalten, und Israel unternimmt alles, um andere außen vor zu lassen. Als ich am Anfang meiner Amtszeit darüber nachdachte, wurde mir klar, dass der UN -Generalsekretär in jüngerer Zeit an kaum einem wichtigen Schritt des Friedensprozesses mitgewirkt hatte: weder am israelisch-ägyptischen Friedensvertrag von 1979 noch an der Madrider Konferenz von 1991, noch am Osloer Durchbruch von 1993 oder am israelisch-jordanischen Friedensvertrag von 1994. In meinen ersten drei Amtsjahren konnte ich wie viele andere führende Politiker der Welt nur zuschauen, wie US -Präsident Clinton im Jahr 2000 zwei Gipfeltreffen abhielt, bei denen er vergeblich versuchte, einen Friedensschluss zu vermitteln – eines in Genf mit dem syrischen Präsidenten Hafis al-Assad und dann die berühmten Camp-David-Gespräche mit dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak und Arafat.
    Gleichwohl handelte es sich um ureigenes UN -Territorium. Immerhin war die Teilung des Mandatsgebiets Palästina in einen jüdischen und einen arabischen Staat im Jahr 1948 durch die Vereinten Nationen legitimiert worden (mit der

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