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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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waren jetzt, wie Jeffrey Sachs es ausdrückte, gezwungen, sich selbst im Spiegel von Armut, Hunger, Krankheit sowie fehlender Infrastruktur und Bildung zu erblicken.
    Die dritte bedeutende Folge der Millenniumsentwicklungsziele ist der Aufbau eines Systems, das es ermöglicht, Veränderungen zu beobachten und Vergleiche zu ziehen. In diesem System können wichtige Lehren und Erkenntnisse innerhalb der internationalen Entwicklungshilfegemeinde aus Praktikern, Aktivisten und denjenigen, die um Hilfe rufen, rasch verbreitet werden. Zusammen mit der Einfachheit und leichten Verständlichkeit der Ziele hat dies beispielsweise bewirkt, dass der enorme Nutzen der Ausweitung des Kapitalismus in den ostasiatischen Wirtschaften, insbesondere in China, allgemein anerkannt wird. In China ist die Armutsrate zwischen 1990 und 2005 von 60 auf 16 Prozent gesunken, was zeigt, wie sehr die chinesische Wirtschaftspolitik die Lebensumstände der Armen verändert hat. Gleichzeitig sind die Versäumnisse in anderen Ländern, wie Guinea-Bissau, im Vergleich deutlicher hervorgetreten, was die Aufmerksamkeit auf sie lenkte und dazu anregte, Strategien zur Überwindung ihrer misslichen Lage zu entwickeln. Dieses Maß an Vergleichsmöglichkeiten und gegenseitiger Befruchtung im entwicklungsorientierten Lernprozess ist auch auf der Mikroebene einzelner Projekte wirksam. Denn es ermöglicht einen Austausch von Methoden, Ansätzen und Technologien zwischen Ländern und Organisationen in allen Bereichen der Entwicklungsarbeit, von den Erfolgen und Auswirkungen von Schulessensprogrammen in Westafrika bis zu ungewöhnlichen Maßnahmen gegen die Tuberkulose in Nepal.
    Die vierte Leistung ist der Zusammenhalt. Die Millenniumsentwicklungsziele sind auf Resultate ausgerichtet, in deren Mittelpunkt die Folgen für die einzelnen Menschen stehen. Durch diese Orientierung wurden viele Spannungen zwischen den Entwicklungsparadigmen aufgehoben, die die internationale Entwicklung zuvor gespalten und behindert hatten. So erhielt die internationale Entwicklungsarbeit einen für die Zeit vor dem Jahr 2000 beispiellosen Zusammenhalt. Sie war stets von einer Vielzahl einzelner Gruppen getragen worden, von ideologisch gegensätzlichen NGO s und Wirtschaftsunternehmen, deren Meinungsverschiedenheiten so weit gingen, dass Institutionen wie der IWF und die Weltbank als der »wirkliche Feind« betrachtet wurden. Die Millenniumsentwicklungsziele haben viele dieser destruktiven Streitereien aus dem Weg geräumt. Anstatt sich auf die Mittel der Entwicklung zu konzentrieren, die heftig umstritten waren, richteten sie das Augenmerk ganz auf die Entwicklungsziele.
    Der Debatte über die Mittel wurde durch die Ausrichtung auf den Einzelnen das Wasser abgegraben. Denn sie verlangte einen kollektiven Beitrag, der nur von der gesamten Bandbreite aller Parteien geleistet werden konnte. Das hat den Aufbau eines globalen Netzwerks ermöglicht, das die Aufmerksamkeit zusätzlich verstärkte und weitere Akteure, insbesondere aus dem privaten Sektor, zur Mitwirkung an spezifischen Millenniumsentwicklungszielen anregte. Der von den Millenniumsentwicklungszielen bewirkte Zusammenhalt hat also nicht nur die Konflikte zwischen bestimmten Entwicklungsparadigmen entschärft, sondern auch zur Selbstmobilisierung neuer Mithelfer im Kampf gegen die Armut geführt.
    Auch in Debatten über die Entwicklungshilfe sind die Millenniumsentwicklungsziele unter Beschuss geraten. Manche sind der Ansicht, die Entwicklungshilfe würde nichts Gutes bewirken und von korrupten Regierungen nur verplempert werden oder sogar Schaden anrichten. Mit Recht stellen sie die Wirkung beispielsweise der mehr als eine Billion Dollar in Frage, die in den letzten fünfzig Jahren als Entwicklungshilfe nach Afrika geflossen sind. Zwischen 1970 und 1998, als der größte Teil dieser Transfers stattfand, stieg der Anteil der armen Afrikaner an der Gesamtzahl der Armen auf der Welt von elf auf 66 Prozent. Daraus folgt nach Ansicht dieser Kritiker, dass Entwicklungshilfe keinen Nutzen hat und beendet werden sollte. An ihre Stelle sollten Handel und private Investitionen treten, da diese die Hauptmittel seien, mit denen im modernen Zeitalter eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung erreicht werde.
    Diese Argumentation weist erhebliche Fehler auf. Zunächst einmal werden für die Einschätzung der Entwicklungshilfe als nutzlos überwiegend Zahlen aus der Zeit vor 1990 herangezogen, als der größte Teil der gesamten Hilfssumme

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