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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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gezahlt wurde. Doch damit wird die heutige Rolle der Entwicklungshilfe völlig falsch dargestellt. Zwischen der Entwicklungshilfe im Kalten Krieg und derjenigen nach dessen Ende besteht ein grundlegender Unterschied. Vor 1990 diente Entwicklungshilfe zumeist nicht der internationalen Entwicklung, sondern als Bündniskitt im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung zwischen den Supermächten. Am Regierungsstil der jeweiligen Nutznießer waren die Geberländer kaum interessiert, und sie sahen keinen Anlass, sie wegen Korruption zur Rechenschaft zu ziehen. Heute ist Entwicklungshilfe weit stärker an Bedingungen für ihren Einsatz geknüpft, wie etwas beim Millennium Challenge Account. 1975 mag die Kritik am Nutzen der Entwicklungshilfe begründet gewesen sein. Heute ist diese Kritik mehr als obsolet.
    Ferner bedeutet Entwicklungshilfe nicht unbedingt grassierende Korruption; es hängt von der jeweiligen Führung ab und davon, ob sie zur Rechenschaft gezogen werden kann. Ruanda zum Beispiel hat erhebliche Entwicklungshilfsmittel bekommen, aber nur wenig Korruption erlebt – die Geißel so vieler anderer Entwicklungsländer. Außerdem können Privatinvestitionen und internationaler Handel in den meisten armen Ländern die Entwicklungshilfe nicht ersetzen. Bevor diese Faktoren relevant werden, sind Fertigkeiten und Dienstleistungen, Infrastruktur, gut ausgebildete Arbeitskräfte, politische Stabilität und andere Merkmale sozialer und ökonomischer Entwicklung vonnöten, und der einzige Weg, diese Voraussetzungen zu schaffen, besteht im sinnvollen Einsatz von Entwicklungshilfe.
    Das Ziel sollte natürlich sein, ohne Hilfe auszukommen. Wir sollten eine Welt anstreben, in der Hilfe nicht mehr nötig ist. Südkorea beispielsweise hat einst beträchtliche Entwicklungshilfe erhalten und ist jetzt ein bedeutendes Geberland. Dieses Vorbild sollten wir in allen Entwicklungsländern nachzuahmen versuchen, und das ist nur durch Entwicklungshilfe möglich, der erst im Anschluss private Investitionen und internationaler Handel folgen können.
    Das Augenmerk sollte nicht auf die Hilfe, sondern auf den Handel gerichtet werden: auf das Versäumnis der reichen Länder, Außenhandelsvorschriften aufzuheben, die die ökonomischen Anstrengungen von Entwicklungsländern behindern. Eine solche Politik steht in krassem Widerspruch zur vorgeblichen Entwicklungsagenda der reichen Länder. Am schädlichsten sind die Subventionen, mit denen sie ihre Landwirtschaft schützen, da sie es Entwicklungsländern unmöglich machen, ihren Agrarsektor zu entwickeln, indem sie dessen Produkte auf den reichen Märkten anbieten. Man sollte nicht darüber diskutieren, ob Hilfe geleistet werden soll, sondern über die geeignete Politik, um die richtige Mischung aus Hilfe, Bedingungen, guter Regierungsführung und vor allem Chancen auf den internationalen Märkten zustande zu bringen – wobei die Verweigerung von Letzterem bisher ein schwarzer Fleck auf der Weste der reichen Staaten ist.
    In einigen Bereichen der Millenniumsentwicklungsziele sind enorme Fortschritte gemacht worden. So wird das Ziel, die Zahl der Menschen, die von einem Dollar oder weniger am Tag leben müssen, zu halbieren – das im Jahr 2000 als allzu ehrgeizig kritisiert wurde –, wahrscheinlich erreicht, was vor allem dem schnellen Wirtschaftswachstum in Asien, insbesondere in China, zu verdanken ist. Darüber hinaus sind zahlreiche Länder bei vielen Millenniumsentwicklungszielen auf einem guten Weg. Nach jüngsten Schätzungen werden neun afrikanische Länder das Ziel verwirklichen, die Zahl der Menschen, die von einem Dollar oder weniger am Tag leben müssen, zu halbieren. Gleichwohl kann man jetzt, da das Jahr 2015 und damit der Endtermin näher rückt, nicht verhehlen, dass die globalen Ziele nicht erreicht werden.
    Damit sind jedoch nicht die Millenniumsentwicklungsziele selbst gescheitert. Vielmehr haben sich unsere Anstrengungen, sie zu erreichen, als ungenügend herausgestellt. Die Millenniumsentwicklungsziele müssen weder revidiert noch ersetzt werden, denn sie dienen der Durchsetzung unleugbarer, fundamentaler Rechte aller Menschen. Deshalb müssen sie als Zielpunkt der kollektiven Anstrengung der Menschheit beibehalten werden. Nach 2015 müssen nicht die Ziele angepasst werden, sondern die individuellen Vorsätze – entsprechend den jeweiligen Veränderungen und bei einer möglichen Anhebung der Messlatte – und die Mittel für ihre Verwirklichung.
    Darüber hinaus sind

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