Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
Sicherheitsrats, in der er dessen Mitglieder wie Kleinstadtbürgermeister behandelt hatte, bestellte ich ihn in mein Büro, um ihn zu warnen, dass ein UN -Mitarbeiter, der sich lediglich als Vertreter eines der ständigen Sicherheitsratsmitglieder verstehe, rasch die Unterstützung der anderen verliere. Schlimmer noch, fuhr ich fort, eine solche Haltung untergrabe den Zusammenhalt des Sicherheitsrats und vermindere dessen Fähigkeit, als Entscheidungsgremium zu fungieren. Auf ihn persönlich gemünzt fügte ich hinzu, dass auch die Vereinigten Staaten kaum noch Verwendung für ihn haben und ihm ihre Unterstützung entziehen würden, wenn er seine Glaubwürdigkeit gegenüber den anderen ständigen Sicherheitsratsmitgliedern verloren habe.
In den Jahren 1997/98 führte eine Reihe von Inspektionen zu Konfrontationen mit den irakischen Behörden. Eine meiner Sorgen galt den Auswirkungen der Sanktionen gegen den Irak auf das Ansehen der Vereinten Nationen in der Welt. Durch die Flugverbotszone, die regelmäßigen Drohungen mit Luftangriffen und die Inspektionen war das Engagement der Weltgemeinschaft im Irak stark militarisiert. Zudem war es dem Irak nicht gestattet, seine Infrastruktur auszubauen, und seine Erdölvorkommen wurden von der UNO gemanagt. So unzutreffend die Ansicht auch war, so wurde dieser Umstand weithin – insbesondere in den Entwicklungsländern – als Beispiel dafür gesehen, dass die Vereinten Nationen mit Sicherheitsratsresolutionen, die angeblich nur ein Großmachtmobbing verschleierten, auf einem schwachen Land herumhackten. Staatsmänner aus dem Nahen Osten und anderen Regionen stellten mir zwischen 1997 und 2003 immer wieder eine einfache Frage: Wenn die UNO derart drakonische Maßnahmen gegen eine Regierung ergreifen kann, um die Erfüllung von UN -Resolutionen zu erzwingen, warum tut sie das nicht auch gegenüber Israel? Ein Argument der Amerikaner lautete, dass Saddam die UN -Resolutionen nicht befolge. Aber Israel verhielt sich gegenüber UN -Resolutionen in Bezug auf die Gebiete, die es 1967 besetzt hatte, ebenso. Dieser Widerspruch empörte viele.
Im November 1997 griff ich zum ersten Mal persönlich in die verfahrene Situation im Irak ein. Mir war klar, dass man meiner Intervention auf allen Seiten mit Misstrauen und Finten begegnen würde. Aber ich war mir auch sicher, dass uns eine wichtige Rolle zukam. Ich wählte drei hohe Diplomaten aus, Lakhdar Brahimi, Emilio Cárdenas und Jan Eliasson, die nach Bagdad reisen und Verhandlungen mit den Irakern aufnehmen sollten. Bagdad hatte zu erkennen gegeben, dass es wieder hochrangige Kontakte zur UNO wünschte, zumal mit mir als Generalsekretär, und hatte seine Verhandlungsposition klargestellt: Der Irak strebe keine Konfrontation an; er habe alle UN -Resolutionen erfüllt, ohne dass ihm im Gegenzug entsprechender Respekt für seine Souveränität, Integrität und Sicherheit gezollt werde, und ein UN -Mitgliedsstaat – die Vereinigten Staaten – benutze die UN SCOM für seine eigenen Zwecke.
Später im November, als der Druck auf die UNSCOM wuchs, ihre Vorgehensweise zu ändern und die Zusammensetzung ihres Inspektionsteams zu überdenken, rief mich US -Außenministerin Madeleine Albright an, um mich aufzufordern, sämtliche Forderungen nach einer Änderung der Arbeitsweise der UNSCOM zurückzuweisen und die Schlüsselentscheidungen dem Sicherheitsrat und der UNSCOM zu überlassen. »Für Ihr Ansehen ist es wichtig, dass Sie sich nicht beugen«, erklärte sie und fügte hinzu, sie spreche als »Freundin«. »Wir müssen die Unabhängigkeit der UNSCOM wahren.« Mit Letzterem war ich vollkommen einverstanden, auch wenn ich vermute, dass wir unterschiedliche Vorstellungen davon hatten, was »Unabhängigkeit« in diesem Fall bedeutete.
Es trat immer deutlicher zutage, dass Butlers Art, die UNSCOM zu leiten und einzusetzen, für Saddam ein Geschenk war, denn sie lieferte ihm immer neue Belege für seine Behauptung, dass er ja abrüsten und mit der Weltgemeinschaft zusammenarbeiten wolle, die Vorgehensweise der UNSCOM dies aber unmöglich mache. Das entsprach natürlich ganz und gar nicht der Wahrheit, aber Butler und seine Unterstützer in Washington und London begriffen nicht, dass sie, je mehr sie ihn als Vollstrecker ihrer Politik benutzten, seine eigene Position und diejenige der UNSCOM untergruben.
Ende 1997 war offensichtlich, dass die Vereinigten Staaten die Geduld mit den Inspektionen verloren hatten und für ein Entweder-oder
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