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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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Mühlstein am Hals der Organisation. An die Stelle der weltweiten Genugtuung über die Befreiung Kuweits durch ein zur Niederringung eines Aggressors gebildetes multinationales Bündnis traten bald die Erbitterung über die Missachtung der Waffenstillstandsbedingungen durch Bagdad und die zunehmende Sorge über die Notlage des irakischen Volks. Das UN -Mandat hatte lediglich die Beendigung der irakischen Besetzung Kuweits umfasst, und die besonnene, nüchtern kontrollierte Einschätzung der Kriegsrisiken hatte die Regierung von US -Präsident George H. W. Bush veranlasst, nicht über dieses Mandat hinauszugehen. Das ermöglichte es jedoch Saddam Hussein, dem habgierigen Führer eines brutalen, tyrannischen Regimes, an der Macht zu bleiben, obwohl er durch kaum etwas die Absicht zu erkennen gab, die Forderungen der Weltgemeinschaft in vollem Umfang zu erfüllen. Mein Vorgänger Boutros Boutros-Ghali gab mir bei der Amtsübergabe nur einen Rat mit auf den Weg: »Behalten Sie die Irakfrage im Auge. Sie wird sehr wichtig werden.«
    Vor dem Hintergrund einer zwanzigjährigen Geschichte von Aggression nach außen und Repression nach innen war Saddams Irak, als ich mein Amt antrat, für die Vereinten Nationen kein neues Phänomen. Eine ganze Reihe meiner höheren Mitarbeiter beschäftigte sich seit langem direkt mit den internationalen Folgen der irakischen Politik. Keiner von uns machte sich Illusionen über das Wesen des Regimes. Iqbal Riza war Olof Palmes Stellvertreter gewesen, als dieser während des verheerenden iranisch-irakischen Krieges von 1980 bis 1988 UN -Sonderbeauftragter war. Er hatte mit eigenen Augen die Folgen des Giftgaseinsatzes des irakischen Regimes gegen die eigene Bevölkerung gesehen und sich dessen dauerhafte Feindschaft zugezogen, als er den damaligen UN -Generalsekretär Javier Pérez de Cuéllar dazu drängte, der Welt den Einsatz dieser Waffen durch die irakische Führung zu offenbaren. Mein Berater in arabischen Fragen, der ehemalige algerische Außenminister Lakhdar Brahimi, hatte das Abkommen von Taif zur Beendigung des libanesischen Bürgerkriegs ausgehandelt und bei verschiedenen Anlässen mit den Irakern verhandelt. Entgegen dem Vorurteil mancher UN -Mitgliedsstaaten war mein Team durchaus erfahren im Umgang mit der Unnachgiebigkeit und Korrumpierbarkeit des Saddam-Regimes.
    Meine eigenen Erfahrungen mit dem Irak reichten in die Zeit unmittelbar nach der irakischen Invasion Kuweits zurück, als Generalsekretär Pérez de Cuéllar mich bat, zusammen mit meinem Freund Viru Dayal nach Bagdad zu reisen und die sichere Ausreise von neunhundert UN -Mitarbeitern, die damals im Irak und in Kuweit arbeiteten, auszuhandeln. Dies erwies sich als der leichte Teil. Doch außer den UN -Mitarbeitern befanden sich noch rund 2200 westliche Bürger im Irak, die das Regime als menschliche Schilde einzusetzen begann, und mein Team versuchte in enger Zusammenarbeit mit westlichen Botschaftern ihre Freilassung zu erwirken. Nur wenige wussten oder machten sich klar, dass neben UN -Mitarbeitern und westlichen Staatsbürgern auch etwa fünfhunderttausend Asiaten und Afrikaner im Irak und in Kuweit festsaßen, denen es zwar freistand, auszureisen, die aber weder die finanziellen noch die organisatorischen Mittel besaßen, um es zu tun. Über die ursprüngliche Aufgabe unserer Mission hinausgehend, wurden sie zu unserer obersten Priorität. Gemeinsam mit der Katastrophenhilfeorganisation der Vereinten Nationen ( UNDRO ) gelang es uns, ihnen die Ausreise nach Amman zu ermöglichen und eine Luftbrücke von dort in ihre Heimatländer zu organisieren, so dass die meisten von ihnen nach Hause zurückkehren konnten.
    Um zu verhindern, dass Saddam jemals wieder die Region oder die Welt bedrohte, verabschiedete der Sicherheitsrat nach der Befreiung Kuweits eine Reihe von Resolutionen, die ihm, sollte er es doch tun, Entwaffnung und schärfste Sanktionen androhten. Mit derart drakonischen Strafen hatten die Vereinten Nationen noch nie gedroht. Der Sicherheitsrat forderte vom Irak, seine Massenvernichtungswaffen auf nachprüfbare Weise zu zerstören, und verfolgte eine Doppelstrategie aus umfangreichen Wirtschaftssanktionen und intensiven Waffeninspektionen. Obwohl die Zerstörung der Massenvernichtungswaffen das Hauptziel war, trafen die Wirtschaftssanktionen vor allem die Bevölkerung. Kaum jemand hätte damals gedacht, dass die Sanktionen zwölf Jahre später immer noch in Kraft sein würden, der Irak sich weiterhin

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