Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
warben: entweder die rückhaltlose Fügsamkeit des Irak oder eine militärische Aktion. Unter Rolf Ekéus’ Leitung waren seit sieben Jahren UN -Inspektoren im Land, die in dieser Zeit mehr Massenvernichtungswaffen zerstört hatten als die Koalition während des gesamten Golfkriegs. Diese Erfolgsbilanz hatte man jedoch nicht wegen, sondern trotz der Haltung des Regimes gegenüber den Inspektionen erreicht. Jetzt, Ende 1997, hatte das Regime einen neuen Grund gefunden, die Zusammenarbeit zu verweigern: die nationale Sicherheit und die Würde der »präsidialen Anwesen« – womit riesige, für Saddam und die oberste Führung des Landes errichtete Anlagen mit Gebäuden und Parks gemeint waren. Dieser Widerstand widersprach natürlich der Resolution 687, in der eindeutig festgestellt wurde, dass der sofortige, bedingungslose Zugang zu allen Orten ohne Ausnahme gewährt werden müsse. Ich wusste, dass Saddam diese »präsidialen Anwesen« und Paläste, wie von der Resolution gefordert, zugänglich machen musste, schauderte aber auch bei dem Gedanken, dass die Welt wegen dieser Angelegenheit einen Krieg beginnen könnte. Es schien mir völlig sinnlos zu sein, wegen dieser relativ trivialen Frage Todesopfer in Kauf zu nehmen. Es musste einen Weg geben, die vollständige Erfüllung der Resolution zu erreichen, ohne die Iraker unnötig zu demütigen.
Während die Konsultationen mit den fünf ständigen Sicherheitsratsmitgliedern fortgesetzt wurden, beschloss ich, ein Expertenteam unter Leitung von Staffan de Mistura nach Bagdad zu schicken, das vor meiner eigenen Ankunft die präsidialen Anwesen kartographisch erfassen sollte. Daraufhin rief mich am 13. Februar 1998 Madeleine Albright an, die das Vorhaben, nach dem technischen Team eine hochrangige UN -Sondermission nach Bagdad zu entsenden, beunruhigte und die mich beschwor, nicht zu reisen, bevor die ständigen Ratsmitglieder nicht einen Konsens erreicht hätten. Da ich dies immer als Voraussetzung meiner Reise angesehen hatte, konnte ich es ihr sofort versprechen. Doch dann erklärte sie, ich sei durch die Entsendung eines technischen Teams in gewisser Weise den irakischen Forderungen nachgekommen. Wie ich die Sache sehe, entgegnete ich, hätte ich die Iraker gezwungen, Farbe zu bekennen. Wenn ihnen die präsidialen Anwesen so wichtig seien, hätten sie jetzt die Chance, ihre genaue Lage und ihren Umfang anzugeben. Damit wäre den Spielchen, die um sie veranstaltet wurden, ein Ende gesetzt.
Am nächsten Montagvormittag erhielt ich innerhalb einer Stunde Anrufe von Clinton und Albright, die offenbar – nicht zuletzt aus innenpolitischen Gründen – fanden, dass es Zeit war, mir eine deutliche Botschaft zukommen zu lassen. Ich hatte den Eindruck, dass Clinton gerade erst in allen Einzelheiten über das Irakproblem ins Bild gesetzt worden war, denn er begann mit einem Überblick über die Lage, bevor er zum Punkt kam und erklärte, dass er ebenso sehr wie ich eine diplomatische Lösung wolle, aber diese müsse auf Prinzipien beruhen und rechtmäßig sein. Genau darum gehe es bei meiner Initiative, versicherte ich – die Führung der UNSCOM unter deren Vorsitzendem bei allen Inspektionen sicherzustellen. Aber durch die Ergänzung der verschiedenen Teams durch neue Diplomaten gebe man den Irakern zu verstehen, dass man ihre Würde respektiere. Das beeinträchtige in keiner Weise die Effektivität der Inspektionen.
Albright kam wie üblich sofort zur Sache: »Alle hier fragen sich, ob wirklich bei Ihnen angekommen ist, wie fest unsere Haltung ist.« – »Absolut«, erwiderte ich. »Ich weiß, was auf dem Spiel steht, und kenne die Stimmung hier im Land und auf der anderen Seite.« Die Lösung sei einfach: Das neue Inspektionsteam werde von einem UNSCOM -Kommissar geleitet, setze sich aus ständigen Mitarbeitern von UNSCOM und IAEA zusammen und stehe unter Butlers Oberaufsicht. Zusätzliche Mitglieder mit diplomatischem Hintergrund würden von mir und Butler gemeinsam ausgewählt. Albright war nicht überzeugt und schloss mit einer Warnung, die ich in der Folgezeit häufiger hören sollte: »Wir werden nicht zögern, eine Absprache mit dem Irak, die sich als miserabel herausstellt, auch so zu nennen.«
Ich beschloss, nach Bagdad zu fliegen, und am Sonntag vor meiner Abreise suchte mich Albright in der Generalsekretärsresidenz in New York auf, um mir ihre »rote Linie« mitzuteilen: die Forderung, dass alle präsidialen Anwesen zugänglich gemacht werden müssten, und
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