Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
störrisch zeigen und die Welt immer noch auf die von Saddam ausgehende Gefahr starren würde. Man erwartete, dass er nachgeben würde, anstatt sein eigenes Volk in Not und Elend zu stürzen. Man unterschätzte die Halsstarrigkeit seines Regimes – und dessen Überlebensinstinkt.
Zwischen den Instrumenten der Weltgemeinschaft und den Realitäten der Macht im Irak tat sich, langsam und schmerzhaft, eine tiefe Kluft auf. Obwohl die Sanktionen die irakische Wirtschaft lähmten und eine verbreitete Unterernährung von Kindern zur Folge hatten, festigte sich Saddams Herrschaft über das Land, während die Opposition immer schwächer wurde. Gleichzeitig wurde der Reichtum des Landes zunehmend in den Händen der loyalen Regimeanhänger konzentriert. Die schärfsten Gegner des Regimes – die westlichen Sicherheitsratsmitglieder – bewirkten unabsichtlich die Schaffung einer »Republik der Angst«.
Als die Not im Irak aufgrund der Sanktionen im Lauf der Jahre immer größer wurde, begriff der Sicherheitsrat, dass er etwas unternehmen musste, um das Leid der normalen Iraker zu lindern. Andernfalls würde das vom Schmuggel bereits durchlöcherte und untergrabene Sanktionsregime gänzlich zusammenbrechen, zumal westliche Mächte den Schmuggel duldeten, um den Schaden für die Nachbarn des Irak in Grenzen zu halten. Dies war der Grund für die Entwicklung des Öl-für-Lebensmittel-Programms, das 1995 nach fünfjährigen Verhandlungen zwischen Boutros-Ghali und der irakischen Führung durch die Resolution 986 beschlossen wurde. Acht Jahre lang wurden im Rahmen dieses Programms Lebensmittel und Arzneimittel für rund 26 Millionen irakische Zivilisten ins Land geliefert. Währenddessen entwickelte sich zwischen der irakischen Führung und den Vereinten Nationen ein Katz-und-Maus-Spiel darüber, wie und wann die Zerstörung der Massenvernichtungswaffen vonstattengehen sollte.
In der Resolution 687 vom April 1991, in der die Waffenstillstandsbedingungen für den Golfkrieg niedergelegt sind, verlangte der Sicherheitsrat, »dass Irak die unter internationaler Aufsicht erfolgende Vernichtung, Beseitigung oder Unschädlichmachung … aller chemischen und biologischen Waffen und aller Kampfstoffbestände sowie … aller ballistischen Flugkörper mit einer Reichweite von mehr als 150 Kilometern und der dazugehörigen größeren Bauteile sowie der Reparatur- und Produktionseinrichtungen bedingungslos zu akzeptieren hat …« Außerdem sollte der Irak binnen 15 Tagen Standort, Anzahl und Typ aller in seinem Besitz befindlichen Waffen dieser Art mitteilen. An die Spitze des neuen Inspektions- und Entwaffnungsprogramms berief der Sicherheitsrat zwei erfahrene, gewissenhafte schwedische Diplomaten und Abrüstungsexperten: Rolf Ekéus, den Leiter der für Inspektionen im Irak zuständigen Sonderkommission der Vereinten Nationen ( UNSCOM ), und Hans Blix, den damaligen Leiter der Internationalen Atomenergie-Organisation ( IAEA ). Ekéus und Blix war es mit Ausdauer und Disziplin gelungen, eine außerordentlich große Zahl verbotener Waffen zu zerstören und dabei das Vertrauen des gesamten Sicherheitsrats zu behalten – keine leichte Aufgabe. Wie ungewöhnlich diese beiden Männer waren, sollte sich bald zeigen, nachdem Ekéus sich zurückgezogen und mir den australischen Diplomaten Richard Butler als Nachfolger vorgeschlagen hatte.
Trotz der Vorbehalte, die Freunde wie Madeleine Albright und der ägyptische UN -Botschafter Nabil El-Arabi gegen Butler vorbrachten, beschloss ich, ihn zu ernennen. Das war ein kapitaler Fehler und eine der schlimmsten Berufungen, die ich jemals ausgeführt habe. Die Iraker fuhren fort, zu lavieren und zu manipulieren, und in Butler fanden sie den perfekten Vermittler. Obwohl er über Fachwissen und Erfahrungen auf dem Gebiet der Abrüstung verfügte, zog er diplomatisches Imponiergehabe und Fernsehauftritte offenbar der harten, mühsamen Arbeit daran, die Iraker zum Einlenken zu bewegen, vor. Mit seiner immer deutlicher zutage tretenden Abneigung sowohl gegen die Iraker als auch gegen Schlüsselmitglieder des Sicherheitsrats, wie Russland und China, wurde er bald zum Hemmschuh der UN -Bemühungen, den Irak mit friedlichen Mitteln zu entwaffnen.
Wenngleich ich Butler ernannt hatte, unterstand er formal direkt dem Sicherheitsrat. Butlers Fehler war, dass er nicht die UNO , sondern die Vereinigten Staaten als Herrn des Entwaffnungsprozesses betrachtete. Nach einer besonders empörenden Sitzung des
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