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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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zwar mehrfach und ohne zeitliche Begrenzung. Nichts davon war für mich überraschend oder ein Problem. Außerdem war mir klar, dass Albrights Besuch ebenso viel mit der amerikanischen Innenpolitik zu tun hatte wie mit meiner Mission. Für die Regierung Clinton war es nicht nur bei dieser Gelegenheit wichtig, zumindest dem Anschein nach eine harte Haltung gegenüber der UNO einzunehmen. Auf Albrights Frage, ob ich auch reisen würde, wenn Washington es nicht wolle, erwiderte ich, dass ich mit einem starken Konsens des Sicherheitsrats, der vom Irak die Befolgung seiner Resolutionen fordere, nach Bagdad ginge, aber auch meine eigenen Verhandlungspunkte hätte. Ich erinnerte sie daran, dass ich als UN -Generalsekretär noch 191 anderen Mitgliedsstaaten gegenüber Rede und Antwort stehen musste und grundsätzlich verpflichtet war, eine friedliche Lösung von Konflikten anzustreben.
    Auf dem Rollfeld in Bagdad empfingen mich Außenminister Tariq Aziz und rund zweihundert Journalisten aus aller Welt, denen der Irak die Einreise erlaubt hatte, um das Ereignis ins rechte Licht zu setzen. Man fuhr mich zu einem großen, weißen Gästehaus, wo ich mich mit meinem Team auf die Verhandlungen der nächsten Tage vorbereitete. In dem luxuriösen, wenn auch etwas kitschigen Ambiente des Gästehauses ging mir der Gedanke durch den Kopf, welche Verschwendung und welcher Missbrauch von Ressourcen all das war und dass einer ganzen Generation von Irakern wegen des Machtanspruchs eines einzelnen Mannes die Gelegenheit verwehrt worden war, Wohlstand, Würde und Freiheit zu erlangen.
    Mir war klar, dass das irakische Regime durch die Verhandlungen Achtung und Ansehen gewinnen wollte. Das war nicht weit von der chinesischen Tradition entfernt, nach der alles darauf ankam, das Gesicht zu wahren. Aus eigener Erfahrung aus Verhandlungen mit den Irakern, die von Beratern wie Lakhdar Brahimi bestätigt worden war, wusste ich, dass es bei einer solchen Ehrauffassung um Leben und Tod gehen konnte, wie übertrieben und vordergründig dies in westlichen Augen auch erscheinen mochte. Auf die Frage, warum man Saddam Hussein auch nur die geringste Achtung und Ehre bezeigen sollte – und den Hinweis, dass das Streben nach einer Vertrauensbasis gegenüber einem Tyrannen eine Verhöhnung seiner vielen Opfer sei –, konnte ich nur antworten, dass eben darin meine Aufgabe bestehe. Solange die Weltgemeinschaft auf einem Inspektionsregime bestand, das die Kooperation des Irak erforderte, gab es kaum einen anderen Weg.
    Wir nahmen also Verhandlungen mit einem irakischen Team unter Leitung von Tariq Aziz auf. In der ersten Sitzung, die bis zwei Uhr nachts dauerte, gewann ich den Eindruck, dass eine Einigung über die Wiederaufnahme der Inspektionen möglich war. Aber es wurde auch klar, dass nur ein Mann dies autorisieren konnte: Saddam Hussein. Man ließ uns im Dunkeln darüber, ob und wann wir mit dem Staatsoberhaupt selbst würden sprechen können. Dann tauchte am nächsten Tag kurz vor Mittag plötzlich eine Fahrzeugkolonne auf, die mich zu ihm bringen sollte. Als er uns in einem seiner Paläste begrüßte, stellte ich fest, dass er seine übliche Militärkluft gegen einen marineblauen Anzug eingetauscht hatte – vielleicht weil er eingesehen hatte, dass zumindest die äußeren Zeichen der Diplomatie gewahrt werden mussten.
    Wir nahmen auf den pompösen, goldgefassten Sitzmöbeln eines Empfangsraums Platz. Saddam strahlte eine selbstsichere Gelassenheit aus und verhielt sich vorsichtig und korrekt. Er wirkte fast heiter, kurz, sein Auftreten spiegelte die unangreifbare Stellung wider, die er seit langem im Irak einnahm. Mein Ziel war klar: seine Zustimmung zur Wiederaufnahme der Inspektionen zu erhalten, indem ich ihm eine Brücke baute, die es ihm ermöglichte, seine Trotzhaltung aufzugeben. Da mir die Mittel fehlten, um ihn zum Nachgeben zu zwingen, wollte ich versuchen, eine Basis für eine Einigung zu schaffen, indem ich an seinen Stolz auf den Umbau des Irak zu einem modernen Staat appellierte und die Notwendigkeit, ihn vor weiterem Schaden zu bewahren, anführte. Zunächst versuchte ich sein Verantwortungsgefühl gegenüber seinem Land anzusprechen – einschließlich seiner Eitelkeit als Staatsführer. Ich erinnerte an die Kriege, die der Irak durchgemacht hatte, und erklärte dann: »Herr Präsident, Sie sind ein Erbauer. Sie haben ein ums andere Mal Jahre darauf verwendet, den Irak nach einem Krieg wiederaufzubauen.« Ich äußerte meine

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