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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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Anerkennung dafür, wie weit der Irak nach solchen Verheerungen beim Wiederaufbau seiner Gesellschaft gekommen sei – was selbstverständlich ihm zu verdanken sei. Dann beschwor ich ihn, diese Fortschritte nicht durch einen Streit über Paläste zu gefährden. »Sie sagen, Sie hätten in den Palästen keine Waffen«, fuhr ich fort. »Wenn das so ist, öffnen Sie die Tore und lassen Sie die Inspektoren ein, damit sie sich selbst davon überzeugen können.« Mitten im Gespräch sagte er plötzlich: »Entschuldigen Sie mich, ich muss jetzt beten gehen.« Als wir mit seinem Dolmetscher allein waren, fragte ich diesen: »Bin ich zu ihm durchgedrungen?« – »Ja«, antwortete der Dolmetscher, »ja, ja.« Er war augenscheinlich erleichtert und hoffte, dass jetzt ein weiterer Krieg vermieden werden würde.
    Als Saddam zurückkehrte, dankte er mir und lobte meinen Mut. »Ich weiß, dass mächtige Leute nicht wollten, dass Sie herkommen«, sagte er. Nachdem er betont hatte, dass er mir vertraue, ermächtigte er seine Unterhändler, den Text des Übereinkommens fertigzustellen, und noch vor Mitternacht erhielten wir seine Zustimmung. Beim Abschied mahnte ich ihn inständig, nicht jede Frage und jede Meinungsverschiedenheit zur Krise eskalieren zu lassen. Stattdessen solle er zum Telefon greifen und mich anrufen, um über seine Sorgen zu sprechen, damit wir eine Wiederholung dieses Vorfalls vermeiden könnten. Er schaute auf das Telefon neben sich und dann zu mir. »Dieses Ding da fasse ich niemals an«, erklärte er. Anscheinend ging es um mehr als die Sorge, dass das Telefon abgehört werden könnte.
    Der Vereinbarung mit dem Irak zufolge sollte UNSCOM »sofortigen, bedingungslosen und unbeschränkten Zugang« zu den präsidialen Anwesen erhalten, vorausgesetzt, wir hielten uns bei der Untersuchung an bestimmte Prozeduren, durch die Saddams Anspruch auf Würde und Respekt Genüge getan wurde, etwa dadurch, dass den Inspektionsteams nicht nur technische Experten, sondern auch Diplomaten angehörten.
    Bei meiner Rückkehr nach New York betonte ich gegenüber der Presse, meine Mission sei ein Paradebeispiel dafür, was mit einer machtgestützten Diplomatie erreicht werden könne – indem man die Macht demonstriere, um sie nicht einsetzen zu müssen. »Man kann durch Diplomatie viel erreichen«, erklärte ich, »aber durch machtgestützte Diplomatie kann man noch viel mehr erreichen.«
    Als ich anschließend Fragen der Journalisten beantwortete, lernte ich meine erste harte Lektion über öffentliche Diplomatie – und den Gebrauch und Missbrauch meiner Worte. Auf eine einfache Frage über die Abmachung mit Saddam stellte ich fest, was nach meiner Ansicht offensichtlich war: dass er jemand sei, mit dem man sachlich verhandeln könne – wie ich es gerade getan hätte. Im Rückblick ist mir natürlich klar, dass man dies als positive Äußerung über Saddams Charakter missverstehen und mangelnde Skepsis gegenüber der Vertragstreue sowie dem tyrannischen Wesen seines Regimes bei mir vermuten konnte.
    Ebenso wie die Mittel – eine durch die glaubwürdige Androhung von Gewalt unterfütterte Diplomatie – war auch das Ziel klar: die volle Erfüllung der Sicherheitsratsresolutionen, die Entwaffnung des Irak, die Wiederaufnahme seines Volks in die Weltgemeinschaft, die Sicherung des Friedens in der Golfregion und die Festigung der Effektivität der Vereinten Nationen als Garant von Sicherheit und Frieden in der Welt. Kein UN -Generalsekretär kann sich aussuchen, mit wem er über die Erreichung dieser Ziele verhandeln und kooperieren muss – weder im Irak noch anderswo.
    Mit Staatsführern wie Saddam – oder Baschir oder Gaddafi im Fall des Sudan beziehungsweise Libyens – zu verhandeln ist eine Pflicht, der man sich nicht entziehen kann, wenn man seine Ziele erreichen will. Man muss sich mit denjenigen an einen Tisch setzen, die etwas bewirken können, die das Blutvergießen beenden können. Man muss mit den Führern sprechen und sie dazu bringen, einen Weg zu finden, dem Töten ein Ende zu bereiten. Wie soll man es sonst erreichen? Außerdem war ich überzeugt, dass man diese Führer auf verschiedenen Motivationsebenen ansprechen und die Beweggründe für ihr Handeln, wie selbstsüchtig sie auch waren, zum Nutzen einer umfassenderen Friedensmission anzapfen konnte. Wenn man es nicht versucht, wird man es nie wissen. Man muss es ausprobieren. Die Einsätze sind so hoch, dass man nicht die Wahl hat zu sagen: »Mit diesem Kerl

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